Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Elitekämpf­er auf Bewährung

Das KSK ist in Verruf geraten und soll reformiert worden. Für einen Neuanfang bleibt bis zum Herbst nicht viel Zeit

- Von Miguel Sanches

Die Graf-zeppelin-kaserne in Calw gilt offiziell als Sperrberei­ch. Hier betritt man ein Parallelun­iversum zur Bundeswehr. Im Flur ist die knapp 25-jährige Geschichte des Kommandos Spezialkrä­fte (KSK) ausgestell­t: „Menschen, Mythen und Missionen.“Der „Flur der Geschichte“ist wenigen vorbehalte­n: Ksk-kämpfern, ihren Angehörige­n bei Familienta­gen, handverles­enen Gästen und – als Werbung in eigener Sache – den Soldaten, die man für den Dienst in der Elitetrupp­e begeistern will.

Nun ist das Haus ungewohnte­n Kräften ausgesetzt: der Zugluft. Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-karrenbaue­r (CDU) will die Fenster öffnen. Offenheit soll verhindern, dass Einheiten sich verselbsts­tändigen – und dass extremisti­sche Verdachtsf­älle unter den Teppich gekehrt werden können. Das KSK soll „in seiner jetzigen Verfassung nicht bestehen bleiben“. 60 Maßnahmen werden ergriffen. Bis 31. Oktober soll die Reform Ergebnisse zeitigen. Das KSK ist jetzt ein Verband auf Bewährung. Die drei wichtigste­n Fragen:

Wie konnte es so weit kommen? Alles beginnt 2017 mit der bizarren Abschiedsf­eier eines Oberstleut­nants der zweiten (von vier) Kompanien. Vom Band läuft Rechtsrock, Soldaten zeigen den Hitlergruß. Als Medien darüber berichten, wird der Militärisc­he Abschirmdi­enst (MAD) aktiv. Drei Jahre später dann, im Mai 2020, der erste Erfolg der Aufklärung: Die Polizei findet auf dem Privatgelä­nde des Kskkämpfer­s in Nordsachse­n Waffen und Sprengstof­f. Interne Untersuchu­ngen zeigen, dass beim KSK 62 Kilo Sprengstof­f und zehntausen­d Schuss Munition fehlen. Die große Sorge von Generalins­pekteur Eberhard Zorn ist, dass es für Anschläge genutzt werden könnte. Wobei nicht klar ist, ob bei der Inventur geschlampt oder ob Munition im großen Stil abgezweigt wurde.

Wie reagiert die Ministerin? Kramp-karrenbaue­r setzt eine Kommission ein, schaltet die Wehrbeauft­ragte ein und fährt nach Calw, wo der Übungsbetr­ieb der rund 1700 Soldaten ruht. Sie sagt, „das KSK erhält eine Zeit, um den Reset-knopf zu drücken“. Auch der MAD soll bis August einen Neuanfang einleiten und – nach einem Informatio­nsleck – seine Mitarbeite­r checken. „Wir sind noch lange nicht da, wo wir mit dem MAD hinwollen“, sagt die Verteidigu­ngsministe­rin. Die radikalste Maßnahme: Beim KSK wird die zweite Kompanie aufgelöst. Die Ausbildung der Kämpfer übernimmt das Heer. Auch die Personalge­winnung wird dem KSK abgenommen. Bisher betrieb das Kommando ein eigenes Scouting-team, das in der Bundeswehr unterwegs war, um „Talente“zu sichten. „Damit fehlt dem Prozess der Binnenwerb­ung der Blick von außerhalb des KSK“, heißt es in einem Untersuchu­ngsbericht. Künftig will man stärker darauf achten, dass die Bewerber nicht nur gute Kämpfer sind, sondern auch „mündige Staatsbürg­er in Uniform“. Wer sich durchsetze­n konnte, blieb oft genug lange in Calw, zehn, 15 Jahre oder länger. Nun will man eine Höchstdaue­r für die Stehzeiten fixieren, für mehr Rotation und Austausch mit dem Rest der Bundeswehr sorgen.

„Wir sind noch lange nicht da, wo wir mit dem MAD hinwollen.“

Annegret Kramp-karrenbaue­r, (CDU)

Verteidigu­ngsministe­rin

Droht eine Auflösung des KSK?

Auch Luftwaffe und Marine verfügen über Spezialkrä­fte. Sie sind laut Bundeswehr „ein unverzicht­bares Mittel der nationalen Sicherheit­sarchitekt­ur“. Das Heer wird auf sie nicht verzichten wollen. Der Bund investiert gerade 225 Millionen in die Modernisie­rung des Garnisonss­tandortes. Aber: „Sollte es weitere Vorfälle geben“, so Kramp-karrenbaue­r, würden sich andere Fragen stellen, in letzter Konsequenz eine Auflösung. 2021 wird das KSK 25 Jahre alt. Sollte es die Chance zu einer Jubiläumsf­eier erhalten, wird die Ausstellun­g im „Flur der Geschichte“ausgeweite­t und außerhalb der Kaserne gezeigt. Öffentlich­keit als Gegengewic­ht zur Geheimhalt­ung und als Beitrag zur „Entmystifi­zierung“.

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FOTO: DPA PICTURE-ALLIANCE Unter Druck: die Eliteeinhe­it der Bundeswehr.

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