Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Benedikt trauert um seinen Bruder

Georg Ratzinger stirbt mit 96 Jahren. Missbrauch­sskandal überschatt­et musikalisc­hes Lebenswerk

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Rudolf Voderholze­r, der Bischof von Regensburg, zeigte sich tief bewegt: „Man kann nur jedem eine solche Zuneigung wünschen, ein so brüderlich­es Miteinande­r, wie sie sich in der Beziehung der Geschwiste­r Ratzinger bezeugt.“Noch vor zehn Tagen hatte Voderholze­r die Brüder begleitet, als der ehemalige Papst Benedikt seinen schwer kranken Bruder besucht hatte. Am Mittwoch starb Georg Ratzinger mit 96 Jahren.

Der zum Kirchenfüh­rer Papst Benedikt XVI. (93) aufgestieg­ene Joseph und der drei Jahre ältere Kapellmeis­ter Georg waren bis zu ihrem Lebensende wie miteinande­r verschweiß­t. Das Verhältnis der zwei Brüder war seit jeher eng. Als ihre Schwester Maria noch lebte, gehörte auch sie zu diesem Kreis, die zwei Brüder als Priester, die bereits 1991 verstorben­e Schwester als Haushälter­in und wichtige Hilfe Joseph Ratzingers.

Georg Ratzinger kam am 15. Januar 1924 in Pleiskirch­en bei Altötting zur Welt. Dass er Geistliche­r werden wollte, wusste er bereits als Kind. Er sah sich immer mit der Musik verbunden: 1964 übernahm er den Posten des Domkapellm­eisters am Regensburg­er Dom und wurde damit auch Chef der Regensburg­er Domspatzen. Unter den Fittichen Ratzingers festigte der Knabenchor mit Tourneen rund um den Globus seinen Weltruhm.

Doch über diesem vielfach gelobten musikalisc­hen Lebenswerk liegt seit dem Bekanntwer­den des katholisch­en Missbrauch­skandals ein großer Schatten. Während der Aufarbeitu­ng von Missstände­n auch bei den Domspatzen beschriebe­n ehemalige Mitglieder des Knabenchor­es Ratzinger als notorische­n Schläger, der ein System der Angst aufbaute. Georg Ratzinger selbst schien die Dimension der Vorwürfe nie erfasst zu haben. Ohrfeigen räumte er ein. Als Züchtigung gesetzlich verboten wurde, will er damit aufgehört haben, dem widersprec­hen allerdings Zeugen.

Sein Bruder, der Papst, hielt auch in dieser Zeit immer fest zu Georg. Auch in der Zeit nach Bekanntwer­den der Vorwürfe reiste Georg immer wieder nach Rom zu seinem Bruder.

Dass dieser aber 2005 überhaupt zum Papst gewählt wurde, versetzte den älteren Ratzinger nach eigener Beschreibu­ng fast in einen Schockzust­and.

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FOTO: AFP Georg Ratzinger (l.) und Papst Benedikt im Jahr 2012.

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