Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Söders Kanzler-ehrgeiz ist erwacht
Bayerns Ministerpräsident wartet die Wahl des Cdu-chefs ab. Aber er positioniert sich: „Nur wer Krisen meistert, kann auch bei der Kür glänzen“
Markus Söder lächelnd, im Hintergrund ein Schloss. Eine Szene wie aus einem bayerischen Bilderbuch. Mit diesem Foto kündigte Söder in den sozialen Medien einen seltenen Gast in Bayern an: Kanzlerin Angela Merkel. Die Cdu-regierungschefin wird am Dienstag in einer Woche nach Herrenchiemsee reisen und an einer Sitzung des bayerischen Kabinetts teilnehmen. Sie will den bayerischen Ministern über die Ziele der deutschen Eu-ratspräsidentschaft berichten. Allzu oft hat man Merkel nicht mit einem CSU-CHEF auf einem Schloss in Bayern gesehen.
Es läuft gerade rund für Bayerns Ministerpräsidenten: Seine Politik in der Corona-pandemie erfährt viel Zustimmung, in den Umfragen zur Frage der Unionskanzlerkandidatur lässt er die Cdu-bewerber Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen weit hinter sich. Und die müssen zudem noch den Cdu-vorsitz unter sich ausmachen.
In der CSU hält man sich bedeckt, was die Ambitionen des Chefs angeht. Es wird auf Söders Aussagen verwiesen. Und der Nürnberger betont immer wieder, dass sich für ihn in der Corona-krise die Frage nach der Kandidatur nicht stelle: „Mein Platz ist in Bayern – daran hat
sich nichts geändert.“
Söder wartet ab. Und warnt vor einer Debatte in der Union zum jetzigen Zeitpunkt. Und doch ergeht er sich in vielsagenden Andeutungen: „Nur wer Krisen meistert, wer die Pflicht kann, der kann auch bei der Kür glänzen“, sagte er am Sonntag im „Tagesspiegel“. Keine Frage, dass Söder sich selbst für krisentauglich hält.
In der CSU wird darauf verwiesen, dass man die „kleine Schwester“sei, die bei der wichtigsten Personalentscheidung in der Politik, der Kanzlerkandidatur, zwar mitreden wolle. Aber erst einmal müsse die CDU ihre Entscheidung treffen. Kein Wort mehr davon, dass ein frühe Festlegung auf einen Kanzlerkandidaten ein Vorteil wäre. Im Gegenteil: Hört man in der CSU genauer hin, dann ist davon die Rede, dass eine späte Festlegung – über den Januar 2021 hinaus – wohl eine gute Sache wäre.
Das Kalkül dahinter lässt viele Schlüsse zu: Kann der Cdu-parteitag wie geplant Anfang Dezember in Stuttgart stattfinden und einen neuen CDU-CHEF wählen, so kann sich die CDU über die Feiertage erst mal sortieren. Söder wird sich sehr genau anschauen, wer da gewählt wurde. Die Beziehung zu Nrw-ministerpräsident Armin Laschet ist auf Augenhöhe von Landeschef zu Landeschef – hat aber in der Konkurrenz um die richtige Strategie in der Pandemie Schaden davongetragen. Wie Söder die Rolle von Exunionsfraktionschef Friedrich Merz sieht, liegt noch etwas im Verborgenen. Die Chance, dass Söder antrete, steige mit einem CDU-CHEF Merz, sagt einer, der Söder schon länger begleitet. Die Vorstellung, dass Söder nach den Kraftanstrengungen des Regierens in der Krise beiseitetritt, um einem Mann von der Seitenlinie die Kapitänsbinde zu überlassen – angesichts des legendären Ehrgeizes von Söder kann das bezweifelt werden. Das ahnt auch Merz und tritt den Spekulationen, dass Söder doch antreten könnte, entgegen. „Er hat mehrfach gesagt, dass sein Platz in Bayern ist“, wo er gerade in der Corona-krise „auch einen klasse Job macht“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“.
Interessant war die jüngste Volte des Cdu-kandidaten Norbert Röttgen, dem eher Außenseiterchancen eingeräumt werden. Er habe grundsätzlich nichts gegen einen Unionskanzlerkandidaten aus der CSU, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Zwar müsse ein CDU-CHEF den Willen und den Anspruch haben, Kanzler zu werden. „Aber er muss, falls notwendig, eben auch die andere Rolle annehmen, also Vorsitzender sein und nicht Kanzlerkandidat.“Und fuhr fort: „Wenn ein Csu-kandidat gewinnen würde, dann hätten wir es geschafft, nach 16 Jahren Cdukanzlerschaft gleich wieder einen Unionspolitiker ins Kanzleramt zu bringen.“Nun – ob man mit der Ansage, nicht auf Sieg zu spielen, bei den Cdu-delegierten punkten kann, ist fraglich. Söder jedenfalls soll diesem Vorstoß noch nicht all zu viel Gewicht beigemessen haben.
„Er hat mehrfach gesagt, dass sein Platz in Bayern ist.“
Friedrich Merz, Kandidat für den Vorsitz der CDU, über Markus Söder und dessen Ambitionen, Kanzlerkandidat der Union zu werden
Markus Söders Umfragewerte schüren in der CDU Unmut
Seine Umfragewerte und seine Andeutungen schüren Unmut in der CDU. Die Delegierten des Parteitags müssten wissen, ob die CSU einen eigenen Kanzlerkandidaten aufstellen wolle oder nicht. Denn „die Entscheidung für einen neuen Cdu-parteivorsitzenden ist unweigerlich mit der Frage der Kanzlerkandidatur verbunden“, so Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann. Fasst man die Entwicklungen zusammen, so kommt man zu dem Schluss, dass die CDU an Söder nicht vorbeikommen wird. Egal, in welcher Funktion. Einem neuen CDU-CHEF ist auf jeden Fall ein Konkurrent gewachsen – in Beliebtheit, medialer Aufmerksamkeit und einer klaren Programmatik: gegen die AFD, für einen grüneren Kurs der Union, ohne die Wirtschaft zu vernachlässigen.