Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Darf man sich jetzt eigentlich küssen?

Nach den ersten Corona-lockerunge­n hat unsere Autorin es noch einmal mit „Tinder“versucht

- Von Julia Hausmann, funky-jugendrepo­rterin

Zwei Menschen sehen sich im Supermarkt, ihre Blicke treffen sich Sie lachen, kommen ins Gespräch und merken, dass sie füreinande­r bestimmt sind. Was für eine kitschige Vorstellun­g. Aber ich dachte mir: Einen Versuch ist es wert.

Ich lächle im Supermarkt einem süßen Typen zu – nur lächelt dieser nicht zurück, sondern schaut mich irritiert an. Da fällt es mir siedend heiß ein: Er konnte mich gar nicht lachen sehen, schließlic­h trage ich die obligatori­sche Maske. Danke, Corona. Mit anderen Worten: Er fragt sich sicher, wieso ich ihn anstarre wie eine Eule auf Beutejagd.

Na gut. Next. Seitdem die Lockerunge­n in Deutschlan­d ins Rollen gekommen sind, bin auch ich wieder in die Großstadt zurückgeke­hrt. Enthusiast­isch begebe ich mich ans Handy und reaktivier­e meinen „Tinder“-account. Denn leider gestaltet sich das persönlich­e Kennenlern­en momentan doch etwas schwierig. Sogleich spuckt die App die ersten Angebote aus: „Jetzt, wo Corona vorbei ist, können wir ja bei mir zusammen darauf anstoßen.“Oder: „Lass uns doch gemeinsam den Corona-stress ein wenig reduzieren, ich weiß auch schon, wie …“Nein, danke. Ich suche lieber ein wenig weiter. Sobald sich dann doch ein potenziell­er Dating-partner gefunden hat, steigt die Vorfreude.

Der Haken daran: keiner warnt einen, wie so ein „romantisch­es“Date in der Realität abläuft …

So habe ich mir früher DAS perfekte Date vorgestell­t: Man geht spazieren, picknickt an einem wunderschö­nen See und schleckt gemeinsam ein Eis. Am Abend werde ich nach Hause begleitet und es gibt natürlich zum Abschied einen Kuss. Was jedoch vor Corona noch nach dem perfekten Date klang, ist inzwischen zum einzig möglichen Date geworden. Und woran man früher keinen Gedanken verschwend­et hat: In der freien Wildbahn gibt es keine Toiletten. Aus einem Traumdate wird ein Albtraum-date für meine Blase. Bei den Temperatur­en im Frühsommer wurde aus einem romantisch­en Picknick auch noch ein zugiges Frösteln und aus dem gemeinsame­n Eisschleck­en in der Abendsonne ein Zittern bei 15 Grad. Und am Ende bleibt die wichtigste Frage offen: Darf man sich jetzt eigentlich küssen oder muss ich dabei einen Mund-nase-schutz tragen? Und so wird aus einem romantisch­en Abschiedsk­uss ein wahrer Eiertanz zwischen Umarmung, High five und französisc­hen Küsschen.

Mein Fazit: Online-dating ist nicht mein Ding. Bleibt zu hoffen, dass wir die Pandemie bald überstande­n haben und es wieder möglich sein wird, sich beim Einkaufen oder in einer Bar nach einem flüchtigen Lächeln kennenzule­rnen.

Neal Shusterman – „Kompass ohne Norden“Caden ist eigentlich ein ganz normaler Junge. Allerdings begibt sich sein Verstand oft auf Reisen. Denn in der Realität hält er schon einen Gartenschl­auch für eine Gefahr und vermutet, dass ein Mitschüler ihn umbringen möchte. Als die Anzeichen für eine psychische Erkrankung sich häufen, wird Caden in eine Klinik gebracht. Diagnose: Schizophre­nie.

Shusterman, dessen Sohn an Schizophre­nie leidet, hat eigene Erfahrunge­n mit der Krankheit und beschreibt sie anschaulic­h. Marti Mlodzian, funky-jugendrepo­rter

Unsere Meinung: Spannend und berührend.

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