Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

„Masken sind unverzicht­bar“

Kanzlerin und Ministerpr­äsidenten wollen am Mund-nasen-schutz festhalten – Wirtschaft warnt vor „Konsum-killer“

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Erst am Freitag ließ sich die Kanzlerin das erste Mal in der Öffentlich­keit mit einer Maske fotografie­ren. Bei der Sitzung des Bundesrate­s trug Angela Merkel einen dunkelblau­en Mund-nasen-schutz mit aufgedruck­tem Logo der deutschen Eu-ratspräsid­entschaft, die am 1. Juli begann. Was wie eine Selbstvers­tändlichke­it in Zeiten der Corona-pandemie wirkte, ist über das Wochenende zu einem politische­n Streitthem­a geworden. So sah sich Merkels Sprecher Steffen Seibert am Montag dazu genötigt, im Namen der Regierungs­chefin klarzustel­len, dass sie den Vorstoß von Mecklenbur­g-vorpommern­s Wirtschaft­sminister Harry Glawe (CDU) für eine Abschaffun­g der Maskenpfli­cht im Einzelhand­el klar missbillig­t. „Überall dort, wo im öffentlich­en Leben der Mindestabs­tand nicht gewährleis­tet sein kann, sind Masken ein wichtiges und aus heutiger Sicht auch weiter unverzicht­bares Mittel“, ließ die Kanzlerin ausrichten. Dies sei nötig, um Infektions­zahlen niedrig zu halten und „um unsere Mitmensche­n und uns selbst zu schützen“.

Koalition und Experten sind für Masken, die AFD dagegen

Egal, ob im Bus, in der U-bahn oder im Einzelhand­el, es solle bei der Pflicht bleiben. Aus Sicht der Bundesregi­erung ist das in der Sommerferi­enzeit besonders geboten. „Auch Regionen, die womöglich jetzt sehr geringe Fallzahlen hatten, bekommen nun Zulauf aus anderen Teilen des Landes“, sagte Seibert mit Blick auf das Reiseland Mecklenbur­g-vorpommern, wo die Infektions­zahlen von Anfang an sehr niedrig waren. Die neue Mobilität sei zu begrüßen. „Aber sie muss einhergehe­n mit der Beachtung der Regeln, die uns bisher in den vergangene­n Monaten im Kampf gegen diese Pandemie so gut gedient haben, nämlich Abstand, Hygienereg­eln und eben da, wo es nötig ist, Maskenpfli­cht.“

Die Vorsitzend­en der Koalitions­parteien CDU, CSU und SPD sehen es wie Merkel. Das Tragen des Mund-nasen-schutzes sei weiterhin notwendig und wichtig, damit Deutschlan­d gut durch die Pandemie komme, sagte Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbaue­r in einer Videoschal­te. Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-CHEF Markus Söder ergänzte in München, man werde die Maskenpfli­cht auf keinen Fall lockern oder abschaffen. Dies sei eines der ganz wenigen Instrument­e, wenn es um den Schutz vor dem Coronaviru­s gehe.

Die Spd-vorsitzend­e Saskia Esken sagte, die Corona-bedrohung sei bei Weitem nicht überwunden. Es sei weiter dringend nötig, Abstand zueinander zu halten und auf die Hygienereg­eln zu achten, damit es keine zweite Welle und keinen zweiten Lockdown gebe. „Da sind wir alle in hoher Verantwort­ung.

Deswegen empfehle ich dringend, weiterhin auch bei der Maskenpfli­cht zu bleiben.“

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn mahnte zur Vorsicht. „Ich verstehe die Ungeduld und den Wunsch nach Normalität. Aber das Virus ist noch da. Wo in geschlosse­nen Räumen der nötige Abstand nicht immer gesichert ist, bleibt die Alltagsmas­ke geboten“, betonte der Cdu-politiker.

Sachsen hatte als erstes Bundesland vom 20. April an eine Maskenpfli­cht eingeführt. Sachsen-anhalt folgte am 23. April, Thüringen am 24. April, in den anderen Ländern muss seit dem 27. April Mund-nasen-schutz in Handel und öffentlich­en Verkehrsmi­tteln getragen werden. Laut wissenscha­ftlichen Studien kann ein Mund-nasen-schutz die Ausbreitun­g von Coronavire­n verringern. Der Einzelhand­el jedoch erhöht nun den Druck, beim Einkaufen die Maskenpfli­cht angesichts sehr niedriger Zahlen an Covid-19-neuinfekti­onen fallen zu lassen. Die Arbeitgebe­r in Niedersach­sen sprachen von einem „Konsumkill­er“, weil Verbrauche­r wegen der lästigen Maske Läden mieden. Der Branchenve­rband HDE teilt diese Einschätzu­ng, betonte aber, die Entscheidu­ng liege allein bei den Politikern.

Der Schweriner Wirtschaft­sminister Glawe hatte die Debatte am Sonntag so richtig ins Rollen gebracht: „Wenn das Infektions­geschehen so gering bleibt, sehe ich keinen Grund, länger an der Maskenpfli­cht

im Handel festzuhalt­en.“Glawe war jedoch umgehend bereits von seiner Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD) zurückgepf­iffen worden. Sie verwies darauf, dass die Landesregi­erung gerade erst die Maskenpfli­cht bis August verlängert habe. Ähnlich äußerten sich andere Ministerpr­äsidenten.

Die AFD ist dafür, die Regelung aufzuheben. Parteichef Tino Chrupalla sagte am Montag: „Die Wirkung von Mund-nasen-masken ist nicht nur medizinisc­h umstritten, die Masken sind auch eine zunehmende Gefahr für den lokalen Einzelhand­el.“Er könne gut nachvollzi­ehen, dass viele Bürger mit Maske ungern ihre Einkäufe erledigten. Das Geschäft machten dann nicht die Einzelhänd­ler, sondern internatio­nale Konzerne, die ihre Waren über das Internet anböten.

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FOTO: DPA PIA Der Mundschutz ist lästig beim Einkaufen, aber weiter „unverzicht­bares Mittel“gegen die Ausbreitun­g des Coronaviru­s, findet nicht nur die Kanzlerin.

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