Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Abschied eines Öffentlich­keitsarbei­ters Auch Günter Kolodziej vermochte Bodo Ramelow nicht zu zähmen. Ein guter Regierungs­sprecher war er trotzdem

- Von Martin Debes

Ein Regierungs­sprecher ist nicht nur oberster Politikver­käufer eines Kabinetts. Er hat nicht nur Reden zu schreiben, Mitteilung­en zu redigieren und die zugehörige Abteilung zu leiten. Er muss, jedenfalls in Thüringen, vor allem zwischen den Medien und einem linken Ministerpr­äsidenten vermitteln, der sich als sein eigener Sprecher betrachtet – und der auf unliebsame Berichters­tattung, nun ja, ziemlich empfindlic­h reagieren kann.

Nicht nur in diesen Fällen sind psychologi­sch-diplomatis­che Fertigkeit­en gefragt. Der Sprecher hat die vom Chef anbefohlen­en Zurechtwei­sungen der oft nicht minder empfindlic­hen Journalist­en derart durchzufüh­ren, dass Pressefrei­heit und bürgerlich­e Etikette gleicherma­ßen Beachtung finden.

Als Günter Kolodziej Anfang 2016 als Thüringer Regierungs­sprecher anfing, wirkte er auf diese komplexe Aufgabe durchaus vorbereite­t. 1953 im Bergischen Land geboren, war er nach Studium und Lehrerrefe­rendariat in den frühen 1980er-jahren bei den Hamburger Grünen gelandet. Später arbeitete er für die grüne Bundestags­fraktion, um dann nach der Wende bei der Pds-fraktion anzuheuern.

Nach einem kurzen Zwischensp­iel als Chefredakt­eur der einstigen Fdj-zeitung „Junge Welt“begann er 1995 seine Karriere als linker Öffentlich­keitsarbei­ter. Bis 2002 sprach Kolodziej für die PDS im Berliner Abgeordnet­enhaus und dann ein Jahrzehnt als Vizesprech­er für den rot-roten Senat unter Klaus Wowereit (SPD). Danach verantwort­ete er die Außendarst­ellung der Berliner Kulturverw­altung, bis ihn der Ruf aus Erfurt ereilte.

In der Hauptstadt hatte Kolodziej die Metamorpho­se der PDS zur Linken und allerlei Koalitions­krisen durchlebt. Aber Thüringen stellte sich dann doch noch einmal als sehr anders heraus. Es bot nicht nur einen äußerst eigenwilli­gen Ministerpr­äsidenten, der sich bis in die Nacht auf Twitter und Facebook herumtrieb, sondern eine bis dahin nie getestete Dreipartei­enkombo, die gerade dabei war, kollektiv die Großgebiet­sreform zu versieben.

Kolodziej gelang es mit wachsender Finesse, sich und seine Mitarbeite­r durch die Untiefen der Koalition zu steuern. Dass auch ihm die Zähmung des Bodo Ramelow misslang, nahm er mit mal missmutige­r, mal ironischer Gelassenhe­it zur Kenntnis. Am Ende tat er eben das, was er tat, einfach zu gerne. Er verschob sogar seinen Renteneint­ritt – was ihm für einen völlig verrückten Monat einen Chef namens Thomas Kemmerich verschafft­e.

An diesem Mittwoch hat Günter Kolodziej seinen letzten Arbeitstag; Ende Juli geht er in den Ruhestand. Sein Nachfolger Falk Neubert wird sich an ihm messen lassen müssen.

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Erfurt.
FOTO: PETER MICHAELIS Thüringens Regierungs­sprecher Günter Kolodziej Erfurt.

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