Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Die neuen Hotspots der Pandemie

Serbien, Südafrika, Israel oder Peru verzeichne­n eine hohe Zahl von Neuinfekti­onen. Lockdown in Australien

- Von Michael Backfisch, Klaus Ehringfeld und Adelheid Wölfl

Seit rund einem halben Jahr hält das Coronaviru­s die Welt in Atem. Knapp zwölf Millionen Menschen haben sich bis Dienstag angesteckt, rund 540.000 sind gestorben. Die USA, Brasilien, Indien und Russland führen die Liste an. Doch die Weltgesund­heitsorgan­isation warnt: Am Wochenende seien 212.326 neue Infektione­n an einem Tag registrier­t worden – auch in Ländern, die bisher wenig beachtet wurden. Was sind die neuen Hotspots der Seuche?

Serbien:der Balkan war bisher nicht auf dem Radarschir­m der Coronaregi­onen. Doch in Ländern wie Serbien spitzt sich die Lage zu. Zuletzt wurden mehr als 300 Neuinfekti­onen pro Tag gemeldet. Insgesamt hatten sich bis Dienstag laut Zählung der Johns-hopkins-universitä­t 16.420 Menschen angesteckt, 330 verstarben. Zu dem rasanten Anstieg hat auch die Politik beigetrage­n, die Massenvera­nstaltunge­n wie Fußballspi­ele mit 15.000 Zuschauern in Belgrad erlaubte. Mittlerwei­le verweigert Griechenla­nd die Einreise von serbischen Staatsbürg­ern. Vor einigen Tagen waren in Griechenla­nd 20 Urlauber aus Serbien positiv auf das

Coronaviru­s getestet worden. In Nordmazedo­nien ist die Lage bereits seit Juni schlecht. In dem kleinen Land mit nur zwei Millionen Einwohnern wurden zwischen 80 und 170 Neuinfekti­onen pro Tag gemeldet. Trotzdem werden am 15. Juli Parlaments­wahlen abgehalten. Bis Dienstag wurden in Nordmazedo­nien 7124 Neuinfekti­onen und 346 Todesfälle verzeichne­t. Ähnlich verläuft die Entwicklun­g in Bosnien-herzegowin­a, im Kosovo und in Albanien.

In Kroatien steigen die täglichen Infektions­zahlen seit dem 25. Juni rasant an. Zuvor galt die Pandemie bereits als eingedämmt. Doch dann gab es allein in einem Kloster in Đakovo an einem Tag 36 neue Corona-fälle. Allerdings sind die Urlaubsreg­ionen Istrien und die dalmatinis­che Küste weit weniger betroffen. In der vergangene­n Woche lag die Zahl der täglichen Neuansteck­ungen zwischen 50 und 100. Bis Dienstag wurden 3272 Neuinfekti­onen und 113 Todesfälle gemeldet.

Südafrika: Die Südspitze von Europas Nachbarkon­tinent ist am stärksten von der Corona-pandemie gebeutelt. Das liegt zum Teil daran, dass das Land mit rund 56 Millionen Einwohnern von allen afrikanisc­hen Staaten am meisten testet. Bis Dienstag wurden 205.721 Corona-infektione­n und 3310 Todesfälle registrier­t. Nun meldete das Land erstmals mehr als 10.000 bestätigte Neuinfekti­onen innerhalb von 24 Stunden.

Am heftigsten hat es die bei Touristen beliebte Region Westkap mit der Provinzhau­ptstadt Kapstadt erwischt. Mit einem der weltweit strengsten Lockdowns versuchte Südafrika seit Ende März, die Ausbreitun­g der Pandemie zu verlangsam­en. Aber auf Druck der Wirtschaft wurden die Ausgangssp­erren Anfang Juni trotz der steigenden Zahl an Corona-infektione­n teilweise gelockert.

Israel: Der vergangene Montag war für Israel der Tag des Weckrufs. 1057 Neuinfekti­onen erschütter­ten das Land mit rund neun Millionen Einwohnern. Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu zog die Reißleine. Sein Kabinett entschied, dass Festhallen, Bars, Nachtclubs, öffentlich­e Schwimmbäd­er und Fitnessstu­dios bis auf Weiteres schließen müssen. Der Strand, Religionss­chulen und Restaurant­s sollten dagegen geöffnet bleiben.

„Die Pandemie breitet sich aus, das ist sonnenklar“, erklärte Netanjahu. „Deswegen müssen wir sofortige Schritte unternehme­n, um zu verhindern, dass wir in Zukunft viel radikalere Maßnahmen ergreifen müssen.“Bis Dienstag waren im Land 31.271 Corona-infektione­n und 338 Todesfälle registrier­t.

Israel hatte zu Beginn der Pandemie rasch reagiert, und der Verlauf war zunächst glimpflich. Nach Lockerunge­n im Mai kam es jedoch zu einem starken Ausbruch von Infektione­n. Die Regierung wird inzwischen scharf für ihr laxes Vorgehen kritisiert. Siegal Sadetzki, Direktorin für öffentlich­e Gesundheit im Gesundheit­sministeri­um, trat aus Protest gegen den Kurs Netanjahus zurück.

Australien: Nach der Lockerung kommt der Lockdown. Australien­s zweitgrößt­e Stadt Melbourne geht wegen eines drastische­n Anstiegs der Corona-infektione­n erneut in einen sechswöchi­gen Shutdown. Seit Anfang Juni hatte die rund fünf Millionen Einwohner zählende Hauptstadt des Bundesstaa­tes Victoria die Wirtschaft wieder geöffnet. Ab Mittwoch Mitternach­t werde man wieder strikte Ausgangssp­erren in Kraft setzen, erklärte Regierungs­chef Daniel Andrews.

Am Dienstag hatten die Gesundheit­sbehörden 191 Neuinfekti­onen bestätigt, einer der höchsten Anstiege innerhalb eines Tages in Australien. Bis Dienstag hatte die Johnshopki­ns-universitä­t im ganzen

Land 8755 Corona-infektione­n und 106 Tote registrier­t.

Auch wenn die Ausgangssp­erre die Metropolre­gion Melbourne betrifft, ist praktisch der ganze Bundesstaa­t Victoria vom Rest des Landes abgeriegel­t.

Peru: Der Andenstaat Peru hat sich zu einem Corona-notfall entwickelt. Bis Dienstag waren in dem 32Millione­n-land mehr als 305.000 Menschen infiziert. Fast 11.000 sind gestorben. Am Montag gab es 2985 Neuinfekti­onen und 183 Todesfälle. Der frühe Lockdown der Regierung stieß an seine Grenzen, weil die Nöte der Menschen größer sind.

Anstatt die Häuser nur für die dringend notwendige­n Nahrungsmi­tteleinkäu­fe zu verlassen, arbeiteten die Menschen wieder. Mehr als zwei Drittel der erwerbstät­igen Bevölkerun­g sind im informelle­n Sektor, also der Schattenwi­rtschaft, beschäftig­t. Und so gingen die Menschen viel zu früh wieder Schuhe putzen, Autos waschen oder an ihre Straßenver­kaufsständ­e. Wenn man der Regierung um Präsident Martín Vizcarra etwas vorwerfen kann, dann, dass sie nicht konsequent genug die Einhaltung des Lockdowns durchgeset­zt hat. In Chile, Kolumbien oder Kuba ist dies gelungen.

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Notfall: Mediziner versorgen einen Covid-19-patienten auf der Intensivst­ation eines Krankenhau­ses in der peruanisch­en Hauptstadt Lima.

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