Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
„Alle sitzen zu Hause“
Theaterhaus Jena macht aus dem Pandemiesommer eine Miniserie im Freien und im Netz
Innerhalb kürzester Zeit waren die fünf Jenaer Sommertheaterveranstaltungen ausverkauft. Mit „Urlaub in Deutschland“bietet das Theaterhaus Jena ein Ersatzprogramm für das traditionelle Theaterspektakel, das eigentlich die abgesagte Jenaer Kulturarena eröffnen sollte. Aufgrund der Abstandsregeln finden auf dem Theatervorplatz diesmal nur 100 Zuschauer Platz. Wer die diesjährige Coronaausgabe nicht verpassen will, kann die separaten Folgen auch online erleben.
„Urlaub in Deutschland“ist eine fünfteilige Filmserie, die zwei Handlungsebenen verknüpft. Mona Vojacek Koper führt als Moderatorin durch eine Late-night-show und empfängt darin verschiedene Gäste.
Auf einer zweiten Ebene switcht die Miniserie zu diversen Tv-zuschauern nach Hause und zeigt, wie sie den Pandemiesommer erleben. Henrike Commichau etwa spielt eine junge Frau, die in einer WG lebt und in der Zeit des Leerlaufs Inline-skaten lernen will. Da der Urlaub dieses Jahr ausfällt, schaut sie sich alte Ferienfotos an. Der künstlerische Leiter des Theaterhauses Walter Bart schlüpft unterdessen in die Rolle eines alleinerziehenden Vaters.
„Fiktives und Dokumentarisches verschwimmen“, sagt der Münchener Videokünstler Florian Schaumberger. Er führt gemeinsam mit Walter Bart, Henrike Commichau und Mona Vojacek Koper Regie. So seien Interviews teils authentisch, teils fiktiv. Und auch der Jena-tv-moderator Christian Uhlmann werde beispielsweise vorübergehend in die Rolle des Late-night-moderators schlüpfen. Filmästhetisch greife die Produktion verschiedene Genres auf, kündigt Schaumberger an: „Mockumentary, Spielfilm, Kunstfilm und Musikclip.“
Insgesamt sind um die 100 Akteure beteiligt, darunter Künstler aus China, Spanien, Holland und Ungarn, aber auch aus Deutschland,
wie etwa Susann Maria Hempel, die in Greiz Theater mit geistig Behinderten macht. Auch der Weimarer Schauspieler Thomas Thieme ist dabei. Er spielt einen Tourguide, dem durch die Epidemie die Gäste fehlen. Die mitwirkenden Chinesen mimen indes ein Pärchen, das nur allzu gern ins Ausland gereist wäre, sich dann aber doch für einen Besuch des heimischen Disneylands entscheidet.
Letztlich herrsche auf der ganzen Welt die gleiche Situation, sagt Mona Vojacek Koper über den Lockdown: „Alle sitzen zu Hause“, ergänzt Schaumberger. Das Regieteam spiele in der Serie bewusst mit Längen. Sie versinnbildlichten die Leere und Hilflosigkeit, die in der akuten Phase viele Menschen ergriffen habe. Dass das Theaterhaus diesmal das Format Film gewählt hat, ist ebenfalls eine Corona-folge. Als die Idee im Mai im Garten von Walter Bart entstand, war an Theatervorstellungen noch längt nicht zu denken.
Passend zum Titel wird der Theatervorplatz für die Live-vorstellungen in einen Strand verwandelt, inklusive Sand, Liegestühlen, Pool, Bar und Live-band. Zur Einstimmung gibt es jeweils einen Prolog, der allerdings nicht im Internet gezeigt wird. Danach beginnt der eigentliche Film. Trotz wiederkehrender Figuren bauen die Folgen nicht aufeinander auf. Sie können separat geschaut werden.