Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Wo ist Genschers rechter Schuh?
Dreckige Schuhe mit Geschichte, preisgekrönte Plateaus, film-erprobte Märchenpumps: Es gibt fast nichts, womit das Knauf-museum im unterfränkischen Iphofen nicht aufwarten kann in der Sonderausstellung „Schuh-stories“.
„Gesicht“von Ausstellung und Begleitbuch ist „Audrey“, die fleischfressende Pflanze unter den Exponaten, geschaffen von Jungdesignerin Lisa Brumbauer aus Pirmasens. Dafür bekam sie 2014 den „Crazy Shoe Award“, der von der Landesinnung Wien der Schuhmacher und Orthopädieschuhmacher vergeben wird. Einzige Voraussetzung, um die 1500 Euro Siegprämie einzuheimsen: Die Kreation muss tragbar sein...
Mehr als 20 Milliarden Paar Schuhe werden im Durchschnitt heutzutage weltweit pro Jahr produziert, auch das lehren die Schuhgeschichten. Laut Bundeswirtschaftsministerium sind es alleine in Deutschland etwa 20 Millionen Paar. Umgerechnet auf die Weltbevölkerung entspricht das etwa zwei bis drei Paar Schuhen pro Kopf. 80 davon werden in der Ausstellung gezeigt, sie sind Leihgaben anderer Museen oder von Privatleuten. Wichtig war Museumsleiter Markus Mergenthaler, dass sie eine Geschichte zu erzählen haben.
Wie die noch als ursprünglich weiß zu erkennenden Tennisschuhe, an denen 35 Jahre alte Rasenreste hängen. Sie wurden einst maßgeschneidert für einen 17-Jährigen namens Boris Becker, der darin 1985 seinen ersten Sieg in Wimbledon errang. Oder die 18-Prozent-schuhe des Fdp-politikers Guido Westerwelle aus dem Bundestagswahlkampf 2002, Aschenbrödels Pumps aus dem Märchenfilm
„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“– sowie ein einzelner linker Schuh von Hans-dietrich Genscher. Der frühere Bundesaußenminister trug ihn bei seiner berühmten Prager Balkonrede 1989 vor Tausenden Ddr-bürgern. Der rechte ist verschollen.
Entwürfe von Studierenden der Deutschen Schuhfachschule Pirmasens sind zu sehen, und ein Blick auf die Herstellung zeigt, dass es immer noch nicht selbstverständlich ist, sich Fußbekleidung leisten zu können.
Die Ausstellungsbesucher können zudem auf High Heels oder Sneakers über einen Laufsteg stolzieren und sich dabei auf einer Leinwand beobachten. Wer es nicht bis 8. November nach Iphofen schafft (wegen Corona wurde die Schau verlängert), ist mit dem Begleitbuch bestens versorgt oder lässt sich mit beigefügter HÖRCD durch die Ausstellung führen.