Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

„Wir sind nicht im wilden Westen“

Polizeiche­f Dietmar Kaiser über den Unterschie­d zwischen Bußgeldkat­alog und STVO

- Von Silvana Tismer

Im Moment müssen die Eichsfelde­r Polizeibea­mten einiges aushalten. Seit der Kippung des neuen Bußgeldkat­aloges wegen Formfehler­n machen die Polizisten verstärkt die Erfahrunge­n, dass einige Verkehrste­ilnehmer diesen Vorgang fast wie einen Freifahrts­schein sehen. Das ist für den Eichsfelde­r Polizeiche­f Dietmar Kaiser nicht akzeptabel.

Können Sie mir ein Beispiel nennen, wie Leute gegenüber Ihren Beamten reagieren?

Ja. Wir haben schon Sätze gehört wie „Der Bußgeldkat­alog ist außer Kraft, da kann ich auch rasen und die Polizei stellt sich mir nicht in den Weg.“Ich möchte ganz eindeutig klarstelle­n: Das Aussetzen des Bußgeldkat­aloges setzt nicht die Straßenver­kehrsordnu­ng außer Kraft. Das sind zwei völlig verschiede­ne Dinge.

Haben Sie den Eindruck, dass dieses Verhalten zunimmt?

Erst gestern haben wir zwei Halterermi­ttlungen bearbeitet für die Kollegen der Autobahnpo­lizei. Ein Verkehrste­ilnehmer wurde mit 162 Stundenkil­ometern bei 100 erlaubten geblitzt, ein anderer mit 152 Sachen in einer 80-Zone. Das macht man nicht aus Versehen. Nicht diese Überschrei­tung.

Ist Ihnen das noch nie passiert? Aus Versehen etwas drüber zu sein?

Doch. Polizisten sind ja auch nur Menschen. Ja, auch ich bin mal mit 31 Kilometern pro Stunde drüber erwischt worden und musste einen Monat zu Fuß gehen. Aber das passierte mir kein zweites Mal. Aber das Doppelte? Nein, das ist kein Versehen mehr.

Also haben Sie und Ihre Kollegen das Gefühl, dass Regeln zunehmend vorsätzlic­h missachtet werden?

Man könnte diesen Eindruck fast gewinnen. Es gibt strenge Regeln im Straßenver­kehr, die weiterhin ausnahmslo­s gelten. Das hat damit zu tun, sein eigenes Leben und das anderer Menschen zu schützen. Aber wenn diese Regeln missachtet werden, dann wird das gesellscha­ftliche Zusammenle­ben nach und nach außer Kraft gesetzt. Und das kann nicht sein.

Wie gehen Sie nun vor?

Wir haben kontrollie­rt, wir kontrollie­ren und werden weiter kontrollie­ren. Wir werden unsere Aufgaben weiter umfassend wahrnehmen. Das ist unser Job. Aber für die Beamten draußen ist es eine nicht einfache Situation, gerade weil die Kommunikat­ion mit den Bürgern bei einer Kontrolle immer schwierige­r wird, sie sich gegen uns mitunter überheblic­h verhalten. Aber unser Dienstherr steht hinter uns.

Was sind denn die häufigsten Verstöße?

Unerlaubte Überholvor­gänge, ein Teil Geschwindi­gkeitsvers­töße, und oft ist der Sicherheit­sgurt nicht, wie nun einmal vorgeschri­eben, angelegt.

Angenommen, ich werde von den Beamten bei einer Verletzung der Regeln erwischt. Was blüht mir denn momentan?

Der einzige Unterschie­d zum Normalfall ist, dass wir vor Ort kein Geld abkassiere­n. Also es gibt keine Barverwarn­ung. Der Vorgang wird bearbeitet und geht über die Zentrale Bußgeldste­lle ohne Zusatzkost­en. Dann wird sie bei Ihnen das entspreche­nde Verwarngel­d eintreiben. Wenn der Bescheid kommt, dann bleibt es Ihnen unbenommen, einen Anwalt hinzuzuzie­hen und die Rechtsschu­tzversiche­rung, um den Vorgang prüfen zu lassen.

Aber geahndet wird nach wie vor?

Selbstvers­tändlich. Nur weil handwerkli­che Fehler passiert sind, sind wir nicht im wilden Westen. Es gibt klare Regeln, was ein Verstoß gegen die Straßenver­kehrsordnu­ng ist. Es geht im Moment nicht darum, ob es eine Strafe gibt, sondern nur in welcher Höhe sie ausfällt.

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FOTO: SILVANA TISMER Der Eichsfelde­r Polizeiche­f Dietmar Kaiser verweist darauf, dass das Kippen des Bußgeldkat­aloges nicht die Straßenver­kehrsordnu­ng außer Kraft setzt.

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