Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
„Wir sind nicht im wilden Westen“
Polizeichef Dietmar Kaiser über den Unterschied zwischen Bußgeldkatalog und STVO
Im Moment müssen die Eichsfelder Polizeibeamten einiges aushalten. Seit der Kippung des neuen Bußgeldkataloges wegen Formfehlern machen die Polizisten verstärkt die Erfahrungen, dass einige Verkehrsteilnehmer diesen Vorgang fast wie einen Freifahrtsschein sehen. Das ist für den Eichsfelder Polizeichef Dietmar Kaiser nicht akzeptabel.
Können Sie mir ein Beispiel nennen, wie Leute gegenüber Ihren Beamten reagieren?
Ja. Wir haben schon Sätze gehört wie „Der Bußgeldkatalog ist außer Kraft, da kann ich auch rasen und die Polizei stellt sich mir nicht in den Weg.“Ich möchte ganz eindeutig klarstellen: Das Aussetzen des Bußgeldkataloges setzt nicht die Straßenverkehrsordnung außer Kraft. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge.
Haben Sie den Eindruck, dass dieses Verhalten zunimmt?
Erst gestern haben wir zwei Halterermittlungen bearbeitet für die Kollegen der Autobahnpolizei. Ein Verkehrsteilnehmer wurde mit 162 Stundenkilometern bei 100 erlaubten geblitzt, ein anderer mit 152 Sachen in einer 80-Zone. Das macht man nicht aus Versehen. Nicht diese Überschreitung.
Ist Ihnen das noch nie passiert? Aus Versehen etwas drüber zu sein?
Doch. Polizisten sind ja auch nur Menschen. Ja, auch ich bin mal mit 31 Kilometern pro Stunde drüber erwischt worden und musste einen Monat zu Fuß gehen. Aber das passierte mir kein zweites Mal. Aber das Doppelte? Nein, das ist kein Versehen mehr.
Also haben Sie und Ihre Kollegen das Gefühl, dass Regeln zunehmend vorsätzlich missachtet werden?
Man könnte diesen Eindruck fast gewinnen. Es gibt strenge Regeln im Straßenverkehr, die weiterhin ausnahmslos gelten. Das hat damit zu tun, sein eigenes Leben und das anderer Menschen zu schützen. Aber wenn diese Regeln missachtet werden, dann wird das gesellschaftliche Zusammenleben nach und nach außer Kraft gesetzt. Und das kann nicht sein.
Wie gehen Sie nun vor?
Wir haben kontrolliert, wir kontrollieren und werden weiter kontrollieren. Wir werden unsere Aufgaben weiter umfassend wahrnehmen. Das ist unser Job. Aber für die Beamten draußen ist es eine nicht einfache Situation, gerade weil die Kommunikation mit den Bürgern bei einer Kontrolle immer schwieriger wird, sie sich gegen uns mitunter überheblich verhalten. Aber unser Dienstherr steht hinter uns.
Was sind denn die häufigsten Verstöße?
Unerlaubte Überholvorgänge, ein Teil Geschwindigkeitsverstöße, und oft ist der Sicherheitsgurt nicht, wie nun einmal vorgeschrieben, angelegt.
Angenommen, ich werde von den Beamten bei einer Verletzung der Regeln erwischt. Was blüht mir denn momentan?
Der einzige Unterschied zum Normalfall ist, dass wir vor Ort kein Geld abkassieren. Also es gibt keine Barverwarnung. Der Vorgang wird bearbeitet und geht über die Zentrale Bußgeldstelle ohne Zusatzkosten. Dann wird sie bei Ihnen das entsprechende Verwarngeld eintreiben. Wenn der Bescheid kommt, dann bleibt es Ihnen unbenommen, einen Anwalt hinzuzuziehen und die Rechtsschutzversicherung, um den Vorgang prüfen zu lassen.
Aber geahndet wird nach wie vor?
Selbstverständlich. Nur weil handwerkliche Fehler passiert sind, sind wir nicht im wilden Westen. Es gibt klare Regeln, was ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung ist. Es geht im Moment nicht darum, ob es eine Strafe gibt, sondern nur in welcher Höhe sie ausfällt.