Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Rangnicks Zögern Angeblich soll Leipzigs früherer Trainer die sportliche Leitung des AC Mailand übernehmen. Doch es sprechen auch gute Gründe dagegen

- Von Martin Henkel

Auf die Titelseite der Gazzetta dello Sport muss man es erst einmal schaffen, wenn man deutscher Fußballleh­rer ist – und nicht in der Serie A arbeitet. Noch nicht jedenfalls. Aber bald. So sickerte es am Montag aus dem Clubgeländ­e des AC Mailand, weshalb die Chefredakt­ion der größten Sporttages­zeitung Italiens entschied: Ralf Rangnick kommt aufs Cover!

Am Tag danach bekamen die Italiener landesweit eine Ausgabe zu Gesicht, die mit der Zeile an den Kiosken auslag: „È fatta! – Es ist vollbracht!“Darunter ein Foto von Rangnick, der angeblich neuer, starker Mann beim 18-fachen italienisc­hen Meister wird. Wie die Gazzetta schrieb, soll der 62-Jährige Trainer Stefano Pioli beerben und die sportliche Leitung übernehmen, die seit dem Abgang von Zvonimir Boban im Mai vakant ist. Drei Jahre Vertrag bekommt er dafür. Gleichzeit­ig werde ihm auch die medizinisc­he Abteilung übertragen, heißt es.

Das sind die Eckdaten des Deals, der nach Informatio­n dieser Zeitung jedoch nicht kurz vor dem Abschluss steht. Im Gegenteil: Rangnick zögert, die Offerte aus Mailand anzunehmen. Der ehemalige Baumeister von RB Leipzig, der 2019 Chefentwic­kler sämtlicher Fußballsta­ndorte von Red Bull wurde, hat mehrere Gründe, den Avancen von Milan-geschäftsf­ührer Ivan Gazidis

nicht vorschnell zu erliegen. Erstens: Rangnick spricht kein Italienisc­h. Zweitens: Er ist der Gegenentwu­rf zu einem Südeuropäe­r. Und drittens: Er hat keine Hausmacht beim siebenfach­en Europacupu­nd Champions-league-sieger, was ihn mit Gazidis verbindet, der ebenfalls neu ist bei Milan. Der Südafrikan­er leitete bis 2018 die Geschicke von Arsenal London.

Zu spüren bekam das Rangnick nach Bekanntwer­den der ersten Gespräche. Club-legende Paolo Maldini giftete: „Bevor er Italienisc­h lernt, sollte er Respekt lernen.“Der 52-Jährige unterstell­te dem Deutschen, die „ganze Macht“im Club an sich reißen zu wollen. Das sei ein Platzsturm! Dass Rangeuropa­pokal nick gern die Kontrolle hat, ist kein Geheimnis. Genauso wenig wie sein Faible für den britischen Fußball. Und: Rangnick liebäugelt mit einer Nachfolge von Joachim Löw.

Nach Italien zu wechseln, scheint daher alles andere als wahrschein­lich – wäre der AC Milan nicht der AC Milan, früher Heimat der Trainer-ikone Arrigo Sacchi. Der heute 74 Jahre alte Italiener ist der Erfinder von Raumdeckun­g und Pressing, der mit den Rossoneri zwischen 1987 und 1991 zweimal den

der Landesmeis­ter gewann. Sacchi ist einer von zwei Idolen, die Rangnick zu seinen Ansätzen inspiriert haben. Der zweite ist der frühere Übungsleit­er von Dynamo Kiew, Walerij Lobanowski.

Die Chance, dieses Erbe fortführen zu können, lässt ihn zögern, das Angebot aus Mailand abzulehnen. Wann bekommt man schon mal die Gelegenhei­t, einem Riesen auf die Beine zu helfen, der den Scudetto zuletzt 2011 gewann und seit 2014 nicht mehr Champions League gespielt hat? Wie schmeichel­haft das alles für den Deutschen wäre, wissen die Italiener. „Sacchi des dritten Jahrtausen­ds“, wurde er unlängst in einer Zeitung genannt. Auch das in der Gazzetta dello Sport.

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FOTO: JAN WOITAS / DPA Was tun? Ralf Rangnick zwischen Chance und Risiko.

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