Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Pflegende fühlen sich erschöpft und belastet
Thüringer Sozialverband VdK fordert zum Internationalen Tag der Pflege verbindliche Rechte für Hilfen
Erfurt. In Thüringen werden zwei von drei Pflegebedürftigen von Angehörigen betreut. Das geht aus einer Studie hervor, die der Sozialverband VdK Hessen-Thüringen zum Internationalen Tag der Pflege am 12. Mai veröffentlicht hat. 2019 waren demnach fast 136.000 Menschen als pflegebedürftig registriert, das sind über 17 Prozent mehr als 2017. Rund 25.000 Menschen werden vollstationär betreut, 34.000 durch ambulante Pflegedienste. Knapp 60 Prozent der Betroffenen würden ohne professionelle Pflegeanbieter und zu Hause gepflegt.
An der Umfrage beteiligten sich 3000 Personen, zwei Drittel der
Pflegenden sind Frauen. Gut die Hälfte der Befragten geht neben der Pflege einer Berufstätigkeit nach, ein Drittel in Vollzeit. Die meisten sind zwischen 50 und 60 Jahre alt, etwa ein Drittel ist älter. Nur eine kleine Gruppe ist jünger als 40. Während Lebens- und Ehepartner sowie Eltern öfter alleine pflegen, nutzen Töchter und Söhne eher die Kombination mit einem Pflegedienst. Die meisten Befragten fühlten sich durch ihren Pflegealltag erschöpft oder belastet. Die durchschnittliche Beanspruchung für die häusliche Pflege liegt bei 20 bis 30 Stunden in der Woche, eine kleine Gruppe gab an, bis zu 24 Stunden eingebunden zu sein.
Als alarmierendes Ergebnis bewertet der VdK Informationsdefizite bei vielen Pflegenden. Viele gaben an, keine oder nur unzureichende Beratung erhalten zu haben. Nur etwa 20 Prozent nahmen Hilfe eines Pflegestützpunktes in Anspruch. „Rund 60 Prozent wussten nicht, dass sie eine Reha-Maßnahme beantragen können. Auch von Kursen zur häuslichen Pflege wissen viele nicht. Den Entlastungsbetrag von 125 Euro im Monat hat nicht einmal die Hälfte der Befragten beantragt“, sagte der VdK-Landesvorsitzende Paul Weimann.
Die Studie zeige klar, dass mit zunehmendem Pflegegrad der Bedarf nach Entlastung steigt. Etwa ein Drittel der Befragten findet keine Zeit für Hobbys oder Treffen mit
Freunden. Deshalb müssten Pflegestützpunkte ausgebaut werden. Zudem fehle es oft am Entgegenkommen der Arbeitgeber, etwa beim mobilen Arbeiten oder bei flexibleren Arbeitszeiten. Wegen der großen Unterschiede mahnt der VdK einheitliche Regeln an. „Pflegende brauchen einen Rechtsanspruch auf teilweise oder vollständige Freistellung von der Arbeit, analog zur
Elternzeit. Wie beim Elterngeld sollten sie dafür als Lohnersatz ein Pflegepersonengeld erhalten“, sagte Weimann.
Die Europäischen Organisation für nichtprofessionelle Betreuer (Eurocarers) verweist darauf, dass Angehörige ihre Arbeit unentgeltlich und mit minimaler Unterstützung verrichten. Ohne sie bräche das Pflegesystem schnell zusammen. Nicht selten hätten sie mit Armut, Krankheit und sozialer Isolation zu kämpfen. Die Corona-Pandemie habe die Situation vieler Pflegenden noch verschärft. Beschränkungen und Auflagen zum Schutz vor einer Infektion hätten die Isolierung vieler Familien vergrößert, so Eurocarers.