Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Bürgergeld statt Hartz IV – was ändert sich?
Koalitionsrunden beginnen. Ampel will Sozialpolitik reformieren, CDU-Wirtschaftsrat und DGB haben Zweifel
Berlin. SPD, Grüne und FDP kommen an diesem Donnerstag zu ihren ersten Koalitionsverhandlungen zusammen. Und wenn es bei den Plänen der drei Parteien bleibt, bedeutet der Beginn der Regierungsgespräche auch das nahende Ende von Hartz IV. Denn die Ampel-Partner im Bund wollen das 2005 eingeführte Arbeitslosengeld II durch ein Bürgergeld ersetzen. Darauf hatten sie sich in ihrem Sondierungspapier verständigt. Dort heißt es: „Anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV) werden wir ein Bürgergeld einführen.“Ist das Bürgergeld aber nur ein hübscheres Namensschild für Hartz IV, wie Kritiker befürchten? Einzelheiten zur künftigen Ausgestaltung sind noch offen. Allerdings zeichnet sich ab, dass das Bürgergeld durchaus einige Vereinfachungen und Erleichterungen gegenüber Hartz IV bringen dürfte.
Wie hoch ist das neue Bürgergeld und ab wann wird es ausgezahlt?
Grundsicherung im Alter bekommen, da die Rente nicht reicht, oder die aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten können. Auch für sie ist das Bürgergeld gedacht.
Was ist anders als bei Hartz IV?
Die Ampel-Partner wollen die Zuverdienstmöglichkeiten für Betroffene verbessern. Derzeit lohnt es sich für Hartz-IV-Empfänger oft nicht, kleinere Jobs anzunehmen, da ihnen der Verdienst vom Regelsatz abgezogen wird. Dies soll sich ändern. Wer künftig das Bürgergeld erhält und nebenher jobbt, soll mehr Geld behalten dürfen. Zudem wollen die Ampel-Partner prüfen, ob die Regelungen zu Wohnungsgröße und Vermögensanrechnung großzügiger als bei Hartz IV gestaltet werden. Beides war in der Corona-Krise der Fall. Die Vermögensprüfung wurde vorübergehend ausgesetzt. Auch für die Zukunft wäre es denkbar, dass Betroffene mehr von ihrem Vermögen behalten dürfen und trotzdem die staatliche Hilfe bekommen. Vor Corona mussten sie erst einen Großteil ihres Privatvermögens verbrauchen. Wer in einer zu teuren Mietwohnung wohnte, war vor der Pandemie zudem angehalten, sich eine billigere Bleibe zu suchen, was in Zeiten von Wohnungsnot schwer ist. In Corona-Zeiten wurden auch höhere Mieten vom Amt übernommen. Wie es künftig läuft, soll geprüft werden.
Wie viel Hartz IV steckt weiterhin im neuen Bürgergeld?
„An Mitwirkungspflichten halten wir fest“, heißt es im Sondierungspapier. Das bedeutet, dass es auch weiterhin eine Form von Sanktionierung gibt, falls Langzeitarbeitslose
beispielsweise unentschuldigt einem Termin im Jobcenter fernbleiben oder sie eine vermittelte Stelle kurzerhand nicht antreten.
Welche Kritik gibt es?
Der Generalsekretär des CDUWirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, bezeichnet das Bürgergeld als „Nebelkerze, weil die Ausgestaltung viel zu unkonkret bleibt“. Immerhin solle es bei Mitwirkungspflichten bleiben. „Ein Recht auf Faulheit zulasten der fleißigen Steuerzahler darf es nicht geben“, sagte Steiger unserer Redaktion. Steiger sprach sich zudem gegen eine Erhöhung der aktuellen Bezüge aus und forderte, „dass das Niveau der Grundsicherung im Wesentlichen unverändert bleibt“. Dagegen forderte Reiner
Hoffmann, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), SPD, Grüne und FDP auf, die Chance „für eine grundlegende Umgestaltung des Hartz-IV-Systems“zu nutzen. „Hartz IV muss überwunden und nicht nur umbenannt werden“, sagte Hoffmann unserer Redaktion. Um Armut wirksam zu verhindern, müssten die Regelsätze neu ermittelt werden, „Kürzungen des Existenzminimums lehnt der DGB ab“.
Die Bundesvorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, verteidigte die Pläne gegen Kritik. „Wir wollen bei der Grundsicherung mehr ändern als nur den Namen“, sagte Baerbock unserer Redaktion. Beim Bürgergeld müsse dafür gesorgt werden, „dass es sich für Menschen deutlich lohnt, eine Arbeit aufzunehmen, auch wenn es nur eine kleine Stelle ist“. Auch die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal wies Kritik am Bürgergeld zurück. Klischees von faulen Hartz-IV-Empfängern – „das ist ein so fatales Gesicht unseres Sozialstaates“, sagte sie unserer Redaktion, „genau das wollen und werden wir ändern“.
„Hartz IV muss überwunden und nicht nur umbenannt werden.“Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds