Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Mehr politisch motivierte Gewalt
Insgesamt Steigerung von Straftaten mit politischem Hintergrund in ganz Thüringen
Erfurt/Jena. Ostthüringen bleibt landesweiter Hotspot bei Straftaten mit politischem Hintergrund. Das jedenfalls legt die in dieser Woche vom Landeskriminalamt vorgelegte statistische Auswertung nahe.
Allein für den Schutzbereich der Landespolizeiinspektion Jena, der zweitgrößte in Thüringen, erfasst das LKA insgesamt 622 Taten mit politischem Hintergrund, was einer deutliche Steigerung im Vergleich zum Jahr 2020 mit 534 registrierten Taten gleichkommt. Seit 2017 sind die Fallzahlen im Jenaer Bereich um ein Drittel gestiegen. Von Jena aus werden die Dienstellen der Polizei in Weimar, Apolda und Stadtroda mit den entsprechenden Landkreisen beziehungsweise kreisfreien Städten betreut.
Auch im zweiten sogenannten Schutzbereich der Polizei in Ostthüringen wurden im vergangenen Jahr deutlich mehr Straftaten mit politischem Hintergrund erfasst, als das im Jahr davor der Fall war. Für den Bereich der Landespolizeiinspektion Gera, der neben der Stadt Gera auch die Landkreise Greiz und Altenburger Land umfasst, hat das LKA 307 Straftaten mit politischem Hintergrund aufgelistet. Im
Jahr davor waren es lediglich 190, was 2020 den niedrigsten Wert in Thüringen darstellte.
Neben Jena und Gera stehen aber auch die Bereiche der Landespolizeiinspektionen Gotha und Erfurt mit je mehr als 400 politisch motivierten Taten deutlich im Fokus. Denn auch das kommt einer Steigerung gleich.
Ein Angriff mit politischem Hintergrund, der im vergangenen Jahr bundesweit Schlagzeilen machte, fand in einer Erfurter Straßenbahn statt. Dort beleidigte ein Mann einen jungen Syrer zunächst rassistisch, um dann brutal auf den Jugendlichen einzutreten. Die Tat wurde gefilmt. Der Täter ist zwischenzeitlich verurteilt.
Eine andere Attacke, die ebenfalls viel Aufmerksamkeit auf sich zog, war der Angriff aus dem linksextremen Spektrum in Erfurt auf einen Rechtsextremisten und dessen Schwangere Freundin. Der Mann wurde brutal geschlagen und er und seine Freundin mit Chlor übergossen. Später bekannte sich eine Gruppe mit dem Namen „Kommando Paul Schäfer“auf einer einschlägigen linken Plattform zu der Tat.
Die beiden Fälle zeigen eine Entwicklung auf, die sich im vergangenen Jahr in Thüringen beobachten ließ: Straftaten mit politischem Hintergrund, bei denen Gewalt angewendet wurde, haben deutlich zugenommen – mit 195 erreichten sie den höchsten Stand seit fünf Jahren.
Insbesondere die politischen Gewalttaten, die sich weder links, rechts noch als ausländische oder religiöse Ideologie einordnen lassen, sind drastisch in die Höhe gegangen. 103 Fälle im Vergleich zu acht Fällen im Jahr 2020 stehen in der Polizeistatistik.
Nur selten werden die Täterinnen oder Täter gefasst. Von den insgesamt registrierten 2770 Straftaten konnten im vergangenen Jahr 1166 aufgeklärt werden – das kommt einer Quote von 42,1 Prozent gleich. LKA-Chef Jens Kehr verwies darauf, dass diese Quote immer in Wahljahren etwas geringer sei. Das bestätigt ein Blick in die Statistik. Denn 2019 wurden im Jahr der Landtagswahl in Thüringen nur 39,7 Prozent der politischen Taten aufgeklärt.