Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Zwischen Krieg und Königsklassen-Reform
Beim Gipfeltreffen der Uefa hallt die am Vortag beschlossene Änderung der Champions League nach
Wien. Als sich der ukrainische Verbandspräsident Andrij Pawelko in schusssicherer Weste aus dem völlig zerbombten Stadion von Tschernihiw per Video zuschalten ließ, spielten die hitzigen Diskussionen um die Reform der Champions League für einen Moment keine Rolle mehr. „Die ukrainische Fußballgemeinschaft rettet Leben, auch das von Kindern“, sagte Pawelko in seiner bewegenden Botschaft beim Uefa-Kongress: „Wir wurden bombardiert, auch heute in der Region.“
Er selbst habe „nicht das moralische Recht, die Ukraine zu verlassen, deshalb konnte ich nicht nach Wien reisen“, erklärte Pawelko.
Selbst Uefa-Boss Aleksander Ceferin verging in diesem Moment die Lust auf Fußball. „Ich hoffe, dass dieser Irrsinn so schnell wie möglich aufhört“, sagte der Slowene im Exhibition Congress Centre von Wien und stellte sogleich nochmal die Alternativlosigkeit des Ausschlusses russischer Nationalteams und Vereinsmannschaften heraus.
Beim 46. Kongress der Europäischen Fußball-Union (Uefa) vertrat Generalsekretär Alexander Alajew den russischen Fußball, ein Ausschluss des Verbandes war aber erneut kein Thema. „Ich will nichts ausschließen, aber ich will auch nicht sagen, dass etwas passieren wird“, sagte Ceferin. Deutlich redseliger war er da bezüglich der am Vortag
in leicht entschärfter Form beschlossenen Reform der Champions League.
„Wir wollten etwas Interessanteres, Besseres für den europäischen Fußball“, sagte der 54-Jährige: „Es ist unsere Pflicht als Dachverband, nicht auf die Interessen Einzelner sondern auf die der Mehrheit einzugehen. Wir haben uns entschieden, unseren Werten weiter zu folgen: Sportliche Leistungen und Zweckmäßigkeit zählen mehr als Profit.“
Das Exekutivkomitee hatte in seinem neuesten Beschluss unter anderem die Spielanzahl von zehn auf acht reduziert, dazu wurde die umstrittene Wildcard-Regel modifiziert. Statt an historisch ruhmreiche Clubs gehen die zwei dafür angedachten Zusatzstartplätze nun an die Länder, deren Teams in der vorherigen Europapokalsaison am besten abgeschnitten haben (siehe Grafik). „Es ist ein komplett offener Wettbewerb, 99,99 Prozent der Fußballfans werden das anerkennen und glücklich darüber sein“, sagte Ceferin. Ganz Unrecht hat er damit wohl nicht. „Unsere Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt und die schlimmsten Auswüchse der größten europäischen Vereine gebremst“, schrieb stellvertretend das englische Fanbündnis FSA.
Finanziell hat die Uefa trotz Pandemie mit 5,7 Milliarden Euro in 2020/21 Rekordeinnahmen erzielt – Geld für angekündigten UkraineHilfen sollte da sein. sid