Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
„Wo sitzt das Heimatgefühl?“
Uderaner Künstlerin Annett Schauß und Schülerinnen beschäftigen sich mit dem Thema
Uder. Was bedeutet den Menschen, vor allem Jugendlichen, der Begriff Heimat? Berührt es sie heute noch, und wenn ja, wie eigentlich? Unter diesem Aspekt startete die Künstlerin Annett Schauß ein Projekt mit dem Namen „Raum und Geschichte – Vom Erkunden und Erfahren eines Ortes“mit Schülerinnen der 8. Klasse der Regelschule Uder.
Für die Uderaner Künstlerin ist der Heimatbegriff etwas Besonderes. Ihr Vater hatte 1946 das Sudetenland verlassen müssen und war nach Mecklenburg gekommen. Auch ihre Mutter musste ihre Heimatregion verlassen. „Meinen Eltern ist das sehr schwergefallen, sie haben immer von früher geredet,“sagt Schauß. Die Vertreibung ihrer Eltern hat auch sie sehr beschäftigt. Sie selbst stammt ursprünglich aus Berlin und hatte bislang schon einige Male in der näheren Umgebung der Hauptstadt ihren Wohnort gewechselt. Ende 2021 zog sie dann ins Eichsfeld. Gemeinsam mit ihrem Mann wohnt sie in dessen Elternhaus, ein uriger Drei-SeitenHof mit reichlich Fachwerk und alten Ställen. Im ehemaligen Ziegenstall entsteht gerade ihr Atelier.
„Der Begriff Heimat ist etwas, was mich sehr interessiert. Wo sitzt das Heimatgefühl? Sitzt es im Herzen, sitzt es im Kopf?“, fragt Schauß. Vor allem interessierte sie dieser Aspekt bei jungen Menschen. „Sind sie so drin in der Struktur ihres Heimatortes, wie man sich das so vorstellt und wie man es von den älteren Leuten hört?“Anfang des Jahres machte sie sich daran, ihr Projekt auf die Beine zu stellen und nahm mit verschiedenen Personen und Institutionen Kontakt auf. Die Arbeit mit Schulen ist dabei für Annet Schauß nichts neues. Sie arbeite schon seit Jahrzehnten als freischaffende Künstlerin im Bildungsbereich, sagt sie.
Auf dem eigenen Grundstück hat die Künstlerin mit Tonscherben bereits Relikte aus vergangenen Tagen gefunden. „Man hat nachgewiesen, dass es in der hintersten und der mittelsten Binde Keramiker gab. Und wir haben hier mittelalterliche Fundstücke gefunden. Diese werden mitverarbeitet.“
Mit den Schülerinnen hat sie Uder auf eine ganz eigene Art und Weise erkundet. So hat die Künstlerin mit ihnen einen Rundgang durch das Dorf gemacht, um Ausschau nach historischen Spuren zu halten. Das waren beispielsweise kleine Einritzungen, mit denen sich Leute verewigt haben, die man als Abreibungen festgehalten hat. Auch in der evangelischen Kirche hat man sich auf Spurensuche begeben, wo man bauplastische Details genauer unter die Lupe nahm. Aus zwei alten Stücken Fachwerkbalken fertigten die Mädchen Statuen. Mit Buntsandstein aus dem nahe gelegenen Steinbruch stellte gemeinsam Kreide her, die bei der Gestaltung des Projekts ebenfalls Verwendung fanden.
Geschichte des Uderaner Wahrzeichens in Comic erzählt
Die verschiedenen Sprüche und Hauseignerzeichen, die sich über den Türen alter Häuser finden, waren ebenfalls Teil der Betrachtungen. Dabei stand auch die Frage im Raum, wie sich die Jugendlichen selbst verewigen würden. Auch Tonplatten hatten die Schülerinnen mit Motiven der Ortsgeschichte gestaltet. Darüber hinaus hat man die Geschichte des Uderaner Wahrzeichens, des Ossenritters, in einem Comic erzählt.
Schülern künstlerische Fertigkeiten als auch historisches aus der Heimat näherzubringen, sei Ziel des Projekts, so die Künstlerin. Und offenbar ist dies auch gelungen. Waren die jungen Damen zunächst noch etwas zurückhaltend, so haben sie im Laufe der Tage mehr und mehr ihre Begeisterung für die Kunst entdeckt. „Es ist, als seien sie regelrecht ausgehungert gewesen“, sagt Annett Schauß begeistert. Vor allem der Comic sei besonders gut geworden. „Der ist das beste, was ich in dem Bereich je gesehen habe!“
Die Künstlerin wollte das Ergebnis nicht einfach nur in der Schule präsentieren, sondern mit den Kunstwerken an die Öffentlichkeit gehen. Mit Unterstützung von Wilma Anhalt und Ines Gunkel vom „Freundeskreis Knorrsches Haus“hat Annett Schauß eine Ausstellung der Kunstwerke organisiert. Wer diese sehen möchte, hat dafür allerdings nur ein sehr kleines Zeitfenster. Die Vernissage wird am Donnerstag, 14. Juli, um 11 Uhr im Knorrschen Haus in Uder stattfinden. Noch am selben Tag müssen die Kunstwerke aus organisatorischen Gründen wieder weichen. Eine zweite Gelegenheit gibt es jedoch am 11. September zum Tag des offenen Denkmals, ebenfalls im Knorrschen Haus.