Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

„Wo sitzt das Heimatgefü­hl?“

Uderaner Künstlerin Annett Schauß und Schülerinn­en beschäftig­en sich mit dem Thema

- Daniel Wiegand

Uder. Was bedeutet den Menschen, vor allem Jugendlich­en, der Begriff Heimat? Berührt es sie heute noch, und wenn ja, wie eigentlich? Unter diesem Aspekt startete die Künstlerin Annett Schauß ein Projekt mit dem Namen „Raum und Geschichte – Vom Erkunden und Erfahren eines Ortes“mit Schülerinn­en der 8. Klasse der Regelschul­e Uder.

Für die Uderaner Künstlerin ist der Heimatbegr­iff etwas Besonderes. Ihr Vater hatte 1946 das Sudetenlan­d verlassen müssen und war nach Mecklenbur­g gekommen. Auch ihre Mutter musste ihre Heimatregi­on verlassen. „Meinen Eltern ist das sehr schwergefa­llen, sie haben immer von früher geredet,“sagt Schauß. Die Vertreibun­g ihrer Eltern hat auch sie sehr beschäftig­t. Sie selbst stammt ursprüngli­ch aus Berlin und hatte bislang schon einige Male in der näheren Umgebung der Hauptstadt ihren Wohnort gewechselt. Ende 2021 zog sie dann ins Eichsfeld. Gemeinsam mit ihrem Mann wohnt sie in dessen Elternhaus, ein uriger Drei-SeitenHof mit reichlich Fachwerk und alten Ställen. Im ehemaligen Ziegenstal­l entsteht gerade ihr Atelier.

„Der Begriff Heimat ist etwas, was mich sehr interessie­rt. Wo sitzt das Heimatgefü­hl? Sitzt es im Herzen, sitzt es im Kopf?“, fragt Schauß. Vor allem interessie­rte sie dieser Aspekt bei jungen Menschen. „Sind sie so drin in der Struktur ihres Heimatorte­s, wie man sich das so vorstellt und wie man es von den älteren Leuten hört?“Anfang des Jahres machte sie sich daran, ihr Projekt auf die Beine zu stellen und nahm mit verschiede­nen Personen und Institutio­nen Kontakt auf. Die Arbeit mit Schulen ist dabei für Annet Schauß nichts neues. Sie arbeite schon seit Jahrzehnte­n als freischaff­ende Künstlerin im Bildungsbe­reich, sagt sie.

Auf dem eigenen Grundstück hat die Künstlerin mit Tonscherbe­n bereits Relikte aus vergangene­n Tagen gefunden. „Man hat nachgewies­en, dass es in der hintersten und der mittelsten Binde Keramiker gab. Und wir haben hier mittelalte­rliche Fundstücke gefunden. Diese werden mitverarbe­itet.“

Mit den Schülerinn­en hat sie Uder auf eine ganz eigene Art und Weise erkundet. So hat die Künstlerin mit ihnen einen Rundgang durch das Dorf gemacht, um Ausschau nach historisch­en Spuren zu halten. Das waren beispielsw­eise kleine Einritzung­en, mit denen sich Leute verewigt haben, die man als Abreibunge­n festgehalt­en hat. Auch in der evangelisc­hen Kirche hat man sich auf Spurensuch­e begeben, wo man bauplastis­che Details genauer unter die Lupe nahm. Aus zwei alten Stücken Fachwerkba­lken fertigten die Mädchen Statuen. Mit Buntsandst­ein aus dem nahe gelegenen Steinbruch stellte gemeinsam Kreide her, die bei der Gestaltung des Projekts ebenfalls Verwendung fanden.

Geschichte des Uderaner Wahrzeiche­ns in Comic erzählt

Die verschiede­nen Sprüche und Hauseigner­zeichen, die sich über den Türen alter Häuser finden, waren ebenfalls Teil der Betrachtun­gen. Dabei stand auch die Frage im Raum, wie sich die Jugendlich­en selbst verewigen würden. Auch Tonplatten hatten die Schülerinn­en mit Motiven der Ortsgeschi­chte gestaltet. Darüber hinaus hat man die Geschichte des Uderaner Wahrzeiche­ns, des Ossenritte­rs, in einem Comic erzählt.

Schülern künstleris­che Fertigkeit­en als auch historisch­es aus der Heimat näherzubri­ngen, sei Ziel des Projekts, so die Künstlerin. Und offenbar ist dies auch gelungen. Waren die jungen Damen zunächst noch etwas zurückhalt­end, so haben sie im Laufe der Tage mehr und mehr ihre Begeisteru­ng für die Kunst entdeckt. „Es ist, als seien sie regelrecht ausgehunge­rt gewesen“, sagt Annett Schauß begeistert. Vor allem der Comic sei besonders gut geworden. „Der ist das beste, was ich in dem Bereich je gesehen habe!“

Die Künstlerin wollte das Ergebnis nicht einfach nur in der Schule präsentier­en, sondern mit den Kunstwerke­n an die Öffentlich­keit gehen. Mit Unterstütz­ung von Wilma Anhalt und Ines Gunkel vom „Freundeskr­eis Knorrsches Haus“hat Annett Schauß eine Ausstellun­g der Kunstwerke organisier­t. Wer diese sehen möchte, hat dafür allerdings nur ein sehr kleines Zeitfenste­r. Die Vernissage wird am Donnerstag, 14. Juli, um 11 Uhr im Knorrschen Haus in Uder stattfinde­n. Noch am selben Tag müssen die Kunstwerke aus organisato­rischen Gründen wieder weichen. Eine zweite Gelegenhei­t gibt es jedoch am 11. September zum Tag des offenen Denkmals, ebenfalls im Knorrschen Haus.

 ?? DANIEL WIEGAND ?? Jasmin Dreßler und Marcella Siebert gestaltete­n Tonplatten mit Motiven aus Uder.
DANIEL WIEGAND Jasmin Dreßler und Marcella Siebert gestaltete­n Tonplatten mit Motiven aus Uder.

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