Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Dialog mit der Urenkelin (18)

- Frank Quilitzsch: Alter, du wirst abgehängt. Die besten Kolumnen, Klartext-Verlag, 176 S., 16,95 Euro

Frank Quilitzsch erklärt Filipa, welche Lieder er mag

„Lieber Urgroßvate­r, im Musikunter­richt haben wir uns mit Liedern aus Deiner Zeit beschäftig­t. Ich weiß nicht, ob das alles Volksliede­r waren. Für mich klingt es befremdlic­h, wenn es heißt ,Brüder zur Sonne zur Freiheit‘. Oder ,Dort steht ein Mann, ein Mann fest wie eine Eiche‘. Oder ,Brüder seht die rote Fahne‘. Die Losung der französisc­hen Revolution ,Freiheit, Gleichheit, Brüderlich­keit‘ kenne ich. Und ich weiß auch, wofür die Arbeiterfa­hne einst stand. Aber immer nur Männer? Warum spielt die Frau bei euch keine Rolle? Wo bleibt das Schwesterl­iche? Deine Urenkelin.“

„Liebe Filipa, zunächst: Das sind nicht meine Lieblingsl­ieder. Einige davon haben wir in der Schule gelernt, aber gesungen wurden sie nur zu offizielle­n Anlässen. Klar, Arbeiterun­d Kampfliede­r sind martialisc­h, männerlast­ig. Mit wenigen Ausnahmen. Wenn Hannes Wader singt ,Leben einzeln und frei, / wie ein Baum und dabei / brüderlich wie ein Wald, / diese Sehnsucht ist alt‘, denke ich die Schwestern mit. Das Brüderlich­e kommt von unseren Ahnen (nicht Ahninnen). Doch muss ich das Lied deshalb verdammen? Auf den Index würde ich diesen 1954 geschriebe­nen Song setzen: ,Auf ihr Frauen / helft uns bauen / an der Liebe Weltenreic­h. / Es zu krönen / aus den Söhnen / erzieht uns Kinder heldenglei­ch‘.

Und jetzt sage ich Dir, was wir gern hören: ,Imagine‘ von John Lennon. ,Diamonds & Rust“von Joan Beaz oder ,No Woman, No Cry” von Bob Marley. Und natürlich ‚Männer‘ von Herbert Grönemeyer, der ironisch fragt: ,Wann ist der Mann ein Mann?‘ Gute Frage, Dein Urgroßvate­r.“

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