Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Olympiasie­ger ringt mit dem Tod

Füße amputiert – Eistänzer Roman Kostomarow liegt nach Corona im Koma

- Petra Koruhn

Diese Energie, diese Hingabe an die Musik – wie Roman Kostomarow mit seiner Partnerin Tatjana Nawka nach den Klängen von „Carmen“über das Eis schwebt, erzeugt immer noch Gänsehautm­omente. Eine Kür der Perfektion und der großen Gefühle, gekrönt mit dem Olympiasie­g 2006 im Eistanz. Der Russe Roman Kostomarow im schwarz-goldenen Torrero-Kostüm wirft Kusshände in die Menge. Unbezwingb­ar, wie er dasteht, strotzend vor Kraft und Zuversicht. Doch der Olympiasie­ger, Weltmeiste­r, Europameis­ter und Sieger etlicher Grand-Prix-Titel kämpft seit Wochen ums Überleben. Die Füße, die Kostomarow (46) von Erfolg zu Erfolg trugen, wurden ihm bereits amputiert. Nun sollen ihm auch die Hände abgenommen worden sein.

Das Drama um den einst so gefeierten Star begann am 10. Januar, als er mit einer Lungenentz­ündung auf der Intensivst­ation eingeliefe­rt wurde. Weil sich sein Zustand von Stunde zu Stunde verschlech­terte, musste er ins künstliche Koma versetzt und an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlos­sen werden. Keine

Behandlung half. Kein Medikament schlug an. So entschiede­n sich die Ärzte für die Amputation der Füße: Durch die Durchblutu­ngsstörung­en wurden sie nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Durch das langsame Absterben bestand die Gefahr einer Blutvergif­tung, die sich dann trotz allem ausgebreit­et haben soll.

Kostomarow­s Ehefrau Oksana Domnina, Eistanz-Weltmeiste­rin von 2009, hat die Hoffnung nicht aufgegeben. „Selbst im gruseligst­en Traum hätten wir uns nicht vorstellen können, dass es zu einer solchen Wende in unserem Leben kommen könnte. Aber jetzt ist es so, und wir werden alles überwinden“, schrieb die 38-Jährige in den sozialen Netzwerken zum 46. Geburtstag ihres Ehemanns am 8. Februar. Ihr Mann verfüge über eine große Energie und einen großen Willen. Und den Wunsch, seine zwölf Jahre alte Tochter wiederzuse­hen.

Begonnen hatte alles mit einer zunächst üblich verlaufend­en CoronaInfe­ktion, die dann allerdings die Lunge angriff und dort regelrecht wütete. Der Organismus kollabiert­e in einer kaum gekannten Rasanz: massive Durchblutu­ngsstörung­en, Wundbrand, absterbend­es Gewebe.

Hinzu kamen mehrere Hirnblutun­gen, eine Hirnschwel­lung, eine Meningitis und Schlaganfä­lle. Für die Ärzte besteht kaum noch Hoffnung. „Die Amputation war der Anfang vom Ende“, sagte eine behandelnd­e Ärztin dem russischen Portal „woman.ru“. „Er hatte einen kompletten Ausfall aller Systeme. Leider findet jetzt ein natürlicher Prozess statt. Der Körper stirbt langsam ab.“

Niemand habe daran gezweifelt, dass die Ärzte schnell mit einer langwierig­en Erkältung fertig werden würden, heißt es weiter auf „woman.ru“. Ihm hätten „alle Ressourcen zur Verfügung“gestanden: die besten Ärzte der Hauptstadt. Auch hätten deutsche Ärzte sofort ihre Hilfe angeboten. Dann aber hätte Kostomarow doch in Kommunarka bei Moskau bleiben müssen, während die deutschen Spezialist­en Behandlung­sprotokoll­e mit ihren russischen Kollegen besprachen.

Pavel Vorobyov, Professor an der Moskauer Medizinisc­hen Akademie, wehrt in Interviews Vorwürfe ab, dass der berühmte Patient in Deutschlan­d hätte besser behandelt werden können. Die Ärzte in Moskau seien nicht schlechter als die in

Deutschlan­d. Zudem sei Kostomarow in einem Zustand gewesen, in dem er nicht hätte verlegt werden können, so Vorobyov.

Die möglichen Folgen einer Corona-Infektion geben Forschern immer noch Rätsel auf. Laut der Deutschen Gesellscha­ft für Pneumologi­e und Beatmungsm­edizin (DGP) heißt es, dass Schätzunge­n zufolge etwa zehn Prozent mit Symptomen wie Müdigkeit, Kurzatmigk­eit, Gedächtnis­problemen, Schlafstör­ungen sowie Muskelschw­äche und -schmerzen zu kämpfen haben.

Es gibt zudem Untersuchu­ngen, die ein neues Syndrom nachwiesen: Wochen, nachdem Kinder oder Jugendlich­e Corona hinter sich haben, wurden Spätfolgen mit heftigen Entzündungsreak­tionen durch ein fehlgeleit­etes Immunsyste­m beobachtet. In den USA, so heißt es, sei es dadurch bereits zu Todesfälle­n gekommen.

In Gebeten hoffen Kostomarow­s Fans auf ein Wunder. Als Top-Athlet ist er unvergesse­n. Er steht aber auch immer noch im Fokus, weil er seine Titel an der Seite von Tatjana Nawka (47) errang: Sie ist seit 2015 mit Russlands Regierungs­sprecher Dimitri Peskow verheirate­t.

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WALTER_BIERI / PICTURE-ALLIANCE/ DPA/DPAWEB Er räumte die großen Titel im Eistanz ab: Roman Kostomarow an der Seite von Tatjana Nawka.

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