Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Dutzende Nachbeben binnen Stunden in der Türkei
Nach den katastrophalen Beben mit mehr als 50.000 Todesopfern wird die Erde noch lange weiterzittern, prognostizieren Experten
Istanbul. Die Erdbebenregion an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien kommt nicht zur Ruhe. Am Samstag traf ein Beben der Stärke 5,2 die zentralanatolische Provinz Nigde in der Türkei, wie die Erdbebenwarte Kandilli mitteilte. Das Epizentrum lag demnach im Bezirk Bor. Kurz zuvor hatte es nach Angaben der türkischen Katastrophenschutzbehörde Afad mehrere Beben der Stärke 4 gegeben. Angaben zu Opfern und Schäden gab es zunächst nicht.
Von syrischen Stellen wurden innerhalb von 24 Stunden insgesamt mehr als 60 Nachbeben erfasst, wie das Erdbebenzentrum des Landes am Samstag mitteilte. Die Phase der
Nachbeben könne noch zwei Jahre andauern, hieß es von Afad. Am 6. Februar hatten zwei Beben der Stärke 7,7 und 7,6 die Südosttürkei und den Nordwesten Syriens erschüttert. Darauf folgten nach türkischen Angaben bereits mehr als 9000 Nachbeben.
Die Zahl bestätigter Todesopfer in den beiden Ländern stieg inzwischen auf mehr als 50.000. Für Istanbul ist diese Zahl eine Vorwarnung: Experten halten ein Beben dort mit einer Magnitude von bis zu 7,4 für überfällig. Nötig sei ein schnelles Bauprogramm für mehr Erdbebensicherheit im Wert von etwa 30 bis 40 Milliarden Dollar, sagte Istanbuls Bürgermeister Ekrem
Imamoglu am Samstag. „Der Betrag ist dreimal so hoch wie das Jahresbudget der Stadt Istanbul, aber wir müssen bereit sein, bevor es zu spät ist.“Kürzlich waren bereits fast 100 Schulgebäude aufgrund von Baurisiken geschlossen worden, die nun erdbebensicher gemacht werden sollen.
Die Region Istanbul ist Teil der „Nordanatolischen Verwerfung“, einer großen tektonischen Plattengrenze, die für zerstörerische Erdbeben mit vielen Opfern bekannt ist. In der Megacity leben 16 Millionen Menschen, nach inoffiziellen Schätzungen sogar 20 Millionen. Es gebe rund 1,6 Millionen alte, nicht erdbebensicher gebaute Gebäude, hatte Nusret Suna von der Istanbuler Bauingenieurkammer kürzlich gesagt.
Die Behörden hätten versäumt, alte Häuser erdbebensicher zu sanieren, hatte Suna kritisiert. Und selbst nach 1999 gebaute Gebäude seien trotz seither geltender Regularien oft nicht sicher, weil diese aus Profitgier häufig missachtet würden. Mit entsprechend katastrophalen Folgen sei bei einem starken Beben für Istanbul zu rechnen.
Unzählige Gebäude hatten den verheerenden Erdbeben von Anfang Februar nicht standgehalten. Mehr als 173.000 Gebäude wurden zerstört. Zwei Millionen Menschen haben ihr Obdach verloren.