Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Vom Gespenst, das heiratswillige Paare beschenkt
Ruine Brandenburg bei Lauchröden ist in mehrerlei Hinsicht ein sagenhafter Ort. Gräfin in dämonischer Welt
Lauchröden. Zu DDR-Zeiten war die Burgruine Brandenburg bei Lauchröden ein Sehnsuchtsort vieler, weil wegen der militärischen Abschirmung durch die Staatshüter für Normalsterbliche nicht zu erreichen. Heute zählt die im ehemaligen Sperrgebiet liegende Doppelburg-Ruine oberhalb der Werra wieder zu den buchstäblich sagenhaftesten Orten der Wartburgregion, ist Film- und Fotokulisse in bezaubernder Landschaft, Schauplatz mittelalterlicher Spektakel, Theateraufführungen, Musikfestivals und museale Stätte im Besitz der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, ehrenamtlich betreut vom Brandenburgverein.
Die Grafen von Wartberg, Vögte der Wartburg, werden erstmalig 1144 als Schutzherren aufgeführt. Die Namensgebung der Grafen nach der Brandenburg ist ab 1224 belegt. Ab Anfang des 14. Jahrhunderts sind zwei getrennte Burganlagen nachweisbar, die seit dieser Zeit in der Regel unterschiedlichen Besitzern mit geteilter Herrschaft und Gerichtsbarkeit unterstanden.
Mit der Brandenburg verbinden sich zahlreiche Sagen, die mit dem Mauerfall buchstäblich aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurden. Nur dass die Burg über Jahrzehnte nicht von dichten Rosenhecken, sondern von Stacheldraht umgeben war. Zumindest in der jüngeren Vergangenheit verstärkte das den Mythos des sagenhaften Ortes.
Es heißt eine weiße Frau hause in den öden Ruinen der Burg. In der Nacht arbeitet sie am Spinnrad und am Tage trocknet sie Flachssamen auf der Wiese vor der Burg. Freigiebig beschenkt das Gespenst mit dem Lohn ihrer fleißigen Hände Arbeit heiratswillige Liebespaare, welche sich in der verfallenen Burg
kapelle an sie wenden. Möglicherweise steckt hinter dem Gespenst der Burg eine blasse Erinnerung an eine vorchristliche Göttin.
Verbunden ist die Brandenburg auch mit der Sage des Lindigsfräuleins, einem ehedem bei Gerstungen existierenden Schloss. Das von den Eltern in ein Kloster im Kohlbachtal verbannte Burgfräulein soll von einem Grafen der Brandenburg entführt und geehelicht worden
sein. Auch als Gräfin vermochte sie ihre Neigung zur dämonischen Welt nicht aufzugeben. Die Sage berichtet von heimlichen Zusammenkünften mit der Werranixe, deren Schloss unter dem Wasserspiegel lag und durch geheime Gänge mit der Burg auf dem Berg in Verbindung stand. Sie versprach ihren einzigen Sohn der befreundeten Wasserfeine. Diese zog das Kind in Jünglingsjahren tatsächlich in ihr Reich
hinab. Seine Mutter wurde nicht alt. Sie starb, ohne zu beichten.
So gelangte ihre arme Seele auch nicht in den Himmel, sondern in das Zwischenreich, dessen Bewohner von Zeit zu Zeit noch auf Erden umher geistern müssen. Selbiges Los fiel auch auf diese Gräfin von Brandenburg. Sie muss alle sieben Jahre einmal erscheinen, als Matrone gekleidet, Leidschleier um den Kopf, Schlüsselbund in der Hand
und im Gesichte so weiß wie ein Quarkkäse.
Die Ruine Brandenburg versprüht heute mit und ohne mystische Bewohnerin Flair, das sie zum Anziehungspunkt für viele Menschen macht – zu jeder Jahreszeit.
In der Serie „Sagenhaft“stellen wir Orte der Region vor, um die sich Geschichten und Sagen ranken. Alle Folgen unter: thueringer-allgemeine.de/sagen