Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Diener für die Gemeinde und die Kirchenmusik
Siegfried Ihme ist seit fünf Jahrzehnten in St. Aegidien in Heiligenstadt tätig
Kantor Siegfried Ihme ist über die Treppe auf die Orgelempore in St. Aegidien gelangt. Wie sonst hätte er seinen Arbeitsplatz an der Orgel der katholischen Kirche erreichen sollen? Aber es gab schon andere Zeiten.
Als das Innere des Gotteshauses in den 1970er Jahren renoviert und umgebaut wurde, ist er auf einer Leiter hochgestiegen und nach dem Gottesdienst wieder auf diesem Weg nach unten. Eine andere Möglichkeit gab es vorübergehend nicht. Zur Sicherheit, damit nichts passierte, hat Küster Johannes Kunze die Leiter festgehalten.
Wenn am 18. Juni 2023 Musiklehrer Daniel Kaufhold auf der Orgelbank Platz nimmt, wird sich Kantor Ihme vielleicht an diese Zeit erinnern, und auch daran, dass sich zum Beginn seines Berufslebens diese Orgel in einem desolaten Zustand befand.
Aber warum spielt er an dem Tag nicht selbst? Am Sonntag findet um 10.30 Uhr die Festmesse ihm zu Ehren statt, aus Anlass seines 50-jährigen Dienstjubiläums. Der von ihm 30 Jahre lang geleitete Kirchenchor wird singen; Anfang 2022 hatte Siegfried Ihme den Dirigentenstab an Gregor Bim übergeben.
Als Messdiener zu Fuß oder per Fahrrad in den Nachbarort
Kantor Ihme wird den von ihm gegründeten Singkreis dirigieren, im ebenfalls von ihm ins Leben gerufenen Kammermusikkreis mit musizieren. Erwartet wird Jonas Schauer für die Begleitung am Cembalo.
Schaut Siegfried Ihme auf fünf Jahrzehnte seines Berufslebens und auf die Zeit davor zurück, gibt es viel zu erzählen. In einem Dorf in der Nähe von Sömmerda wuchs er in einem katholischen Elternhaus auf, war Messdiener. Das Leben in der Diaspora war nicht mit dem Eichsfeld zu vergleichen. Wenn sonntags keine Messe in der heimatlichen Dorfkirche gefeiert wurde, ging es zu Fuß oder per Fahrrad in den Nachbarort. Ungewöhnlich war es nicht, dass sich katholische Christen in einer evangelischen Kirche versammelten.
„Das katholische Leben habe ich erst so richtig in Heiligenstadt kennen gelernt“, erinnert sich Siegfried Ihme und berichtet, was ihn 1973 zu Beginn seiner beruflichen Tätigkeit
hier erwartete: „Täglich zwei Messen, von Montag bis Samstag, sonntags vier Messen, die Frühmesse um bereits um 6.45 Uhr“. Die frühe Morgenstunde habe ihm nie etwas ausgemacht, betont der Kantor. Nach Beendigung der Schule studierte er in Halle, an der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik. Der Abschluss an dieser angesehenen Bildungseinrichtung wurde in der DDR von den staatlichen Stellen nicht anerkannt.
An seiner ersten Arbeitsstelle nach dem Studium ist er bis heute tätig. Von Hans-Reinhard Koch, dem späteren Weihbischof, dem er sich stets sehr verbunden fühlte, hatte er erfahren: In Heiligenstadt, in der St. Aegidienkirche, galt es, eine Organistenstelle zu besetzen, da Heinrich Lindemann, inzwischen über 70 Jahre alt, sein Amt in junge Hände legen wollte. Heinrich Lindemann vertrat Siegfried Ihme
später, während dessen Zeit bei der NVA. Damals leitete Richard Deuschle den Chor.
„Mein erster Pfarrer in Heiligenstadt war Otto Henkel“, erinnert sich Siegfried Ihme. Er übernahm die Jugendschola, gründete 1979 den Singkreis und den Kammermusikkreis, rief die inzwischen traditionellen Adventkonzerte, unter Beteiligung von Berufsmusikern und -sängern als Gästen, ins Leben.
Nach der Wende Unterricht an der Eichsfelder Musikschule
Nach der Wende, nun endlich mit einem anerkannten Abschluss, begann er an der Eichsfelder Musikschule zu unterrichten. Zu den Höhepunkten seines Wirkens zählen diese Chorauftritte: die Aufführung von Mozarts Krönungsmesse 2007, das Singen in Etzelsbach beim Besuch von Papst Benedikt XVI. am 23. September 2011, der Fronleichnamsgottesdienst
im Beisein des Fernsehens auf dem Heiligenstädter Marktplatz 2014.
Im Jahr 2023 sieht Siegfried Ihmes Berufsleben in St. Aegidien so aus: Montags, mittwochs und freitags je eine Messe um 8 Uhr, sonntags um 9 Uhr als ständige Termine; hinzu kommen Hochzeiten, Taufen, silberne und goldene Hochzeiten sowie Beerdigungen. Dem Singkreis und dem Kammermusikkreis hält er weiterhin die Treue. Siegfried Ihme unterstreicht: „Musik hat etwas zu tun mit Harmonie – und diese Harmonie muss zu spüren sein. Bei der musikalischen Arbeit mit Berufsmusikern und -sängern ebenso wie mit Laien. Ich darf keine Forderungen stellen; es handelt sich immer um eine Gemeinschaftsarbeit aller Beteiligten. Kantor, das ist eine Berufung, bedeutet Diener sein für die Gemeinde und für die Kirchenmusik.“