Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
„Man hört die Glocke und blickt zur Uhr“
Sieben Jahre lang kümmerte sich Fabian Egert um die Kirchturmuhr in Weißenborn-Lüderode. Eine Familientradition
Weißenborn-Lüderode. Schon seit mehreren Wochen laufen am Dach der Kirche in Weißenborn-Lüderode umfangreiche Sanierungsarbeiten. Der Zahn der Zeit hatte an dem Gotteshaus genagt und deutliche Spuren hinterlassen.
Dabei kann die Kirche auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken. Ursprünglich 1836 errichtet und 1886 erweitert, brannte sie am 4. Mai 1939 nieder und wurde erst 15 Jahre später wieder aufgebaut. Doch das betagte Dach hielt den wechselnden Witterungsbedingungen inzwischen nicht mehr stand. „Es war einfach schlecht verarbeitet“, berichtet Pfarrer Hubertus Iffland. „Es hat hineingeregnet.“Doch nicht nur das Gebälk, auch die Orgel war dabei in Mitleidenschaft gezogen worden.
Aufgrund der selbsttragendenden Konstruktion könne man aber keine Ziegel auf das Dach bringen, die Last wäre zu groß, sagt der Pfarrer. Daher werden nun wieder Kupferplatten angebracht. Die Kosten dafür trägt die Kirche jedoch nicht allein. Insgesamt zwei Drittel der förderfähigen Kosten werden aus Mitteln des Thüringer Landesprogramms für städtebauliche Sanierungsmaßnahmen finanziert, erklärt Peter Trappe (CDU), Mitglied des Kirchenvorstands und ehemaliger Bürgermeister der Gemeinde.
36-Jähriger steigt fast täglich hinauf in den Turm
Im Zuge der Bauarbeiten erhielt der Turm auch eine neue Uhr. Das betagte mechanische Uhrwerk wurde durch eine moderne Funkuhr ersetzt. Während der vergangenen sieben Jahre hatte sich Fabian Egert darum gekümmert, dass die Uhr die richtige Zeit anzeigt. Das Uhrwerk wurde, wie bei der klassischen Wanduhr, über ein Pendel und Gewichte angetrieben. „Die Gewichte fuhren herunter und wurden alle sechs Stunden durch einen Motor wieder nach oben gezogen“, sagt der 36-Jährige. „Meine Aufgaben waren die Wartung und das Stellen der Uhr.“Nahezu täglich sei er zeitweise dafür den Turm heraufgestiegen, manchmal sogar zweimal am Tag. Das Wetter habe dabei durchaus eine Rolle gespielt. „Bei warmem Wetter lief die Uhr etwas langsamer, wenn es kalt war, lief sie schneller“, hat Egert die Erfahrung gelehrt.
Mit der Zeit ging ihm die Aufgabe in Fleisch und Blut über. „Man hört,
wie die Glocke schlägt und blickt automatisch zur Uhr. Ich habe versucht, die Differenz bei einer bis zwei Minuten zu halten“, sagt Egert. Gestellt habe er die Uhr durch kleine Gewichte, die er auf die großen legte oder herunternahm und durch ein kleines Rädchen am Pendel. „Da reichte meistens schon eine Vierteldrehung, um wieder eine halbe Minute herauszuholen. Es war immer eine Gefühlssache, das kam im Laufe der Jahre.“
Der Pfarrer habe ihn damals angesprochen, ob er die Aufgabe übernehmen wolle, erzählt Fabian Egert. Die Pflege und Wartung der Uhr hatte sich zu dieser Zeit schon
zu einer regelrechten Tradition in seiner Familie entwickelt. Zuvor hatte sich Fabian Egerts Bruder Christian um diese Aufgabe gekümmert, der jedoch 2016 verstarb. „Davor hat mein Cousin das gemacht und davor meine Onkel.“Er selbst habe sich die richtige Handhabung des Uhrwerks im Laufe der Zeit angeeignet, konnte bei Fragen aber auch immer auf Hilfe aus der Familie zählen, sagt Egert.
Schwindelfrei auf einem schmalen Brett hoch oben
„Mich hat die Technik interessiert. Es war schon eine coole Sache, zu sehen, wie das alles ineinander
läuft.“Zu seinen Aufgaben zählte auch die Reinigung und das Abschmieren des Uhrwerks. „Es war nichts besonderes, aber es musste eben gemacht werden.“Wenn die Uhr genau laufen soll, müsse sie schließlich sauber sein. Zuletzt sei die Uhr recht präzise gelaufen, erzählt der 36-Jährige. Da habe er nur noch einmal pro Woche den Turm erklimmen müssen. „Es gibt noch immer viele Leute, die zur Kirchturmuhr schauen, das hätte ich nicht gedacht“, sagt er. Er sei dann auch mal darauf angesprochen worden, wenn die Uhr falsch ging. „Wenn man bei der Arbeit ist, bekommt man das nicht immer mit.“
In harten Wintern musste Egert nach eigenen Angaben auch schon mal ganz hoch hinaus in den Dachstuhl des Kirchturms und die Zeiger der Uhr vom Eis befreien. Eine Aufgabe, für die man schwindelfrei sein musste, denn der Weg zur Uhr war lediglich ein schmales Brett in luftiger Höhe.
Doch das gehört inzwischen der Vergangenheit an. Die Zeiger werden jetzt präzise nach einem Funksignal gestellt, das Gestänge zum Uhrwerk ist demontiert. Auch wenn er sich gern um die Wartung des Uhrwerks gekümmert habe, vermissen werde die Aufgabe dennoch nicht unbedingt, sagt Fabian Egert.