Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Die richtige Ernährung kann ADHS lindern

Belastende Symptome lassen sich nicht nur mit Ritalin bekämpfen. Mediziner empfehlen, was Betroffene essen sollten

- Miriam Eichhorn

Berlin. Sich im stressigen Alltag vollwertig und abwechslun­gsreich zu ernähren, ist für viele eine Herausford­erung. Für Menschen mit ADHS ist dies oft noch schwierige­r umzusetzen. Impulsivit­ät, Probleme bei der Selbstorga­nisation, aber auch die Einnahme bestimmter ADHS-Medikament­e erschweren eine gesunde Ernährung.

Dabei spielt genau diese bei der Behandlung der Aufmerksam­keitsdefiz­itund Hyperaktiv­itätsstöru­ng eine wichtige, unterstütz­ende Rolle, weiß Andreas Jähne, ärztlicher Direktor der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura: „Es sind nicht nur Lebensmitt­el. Auch der achtsame Umgang mit sich selbst und der Umwelt ist von großer Bedeutung. Im Bereich Ernährung zählt dazu etwa das Einkaufen, die Zubereitun­g der Speisen und das regelmäßig­e und bewusste Essen.“Gerade weil dies ADHS-Patientinn­en und -Patienten häufig schwerfall­e, sei es wichtig, dabei planvoll vorzugehen, um Ernährungs­fehler zu vermeiden.

Jähne rät Betroffene­n zu einer möglichst ausgewogen­en Ernährung ohne Extreme. Eine häufig positive Wirkung zeige sich zum Beispiel durch die mediterran­e Ernährung mit mäßigem Fleischkon­sum und überwiegen­d pflanzlich­en Lebensmitt­eln. Sie ist reich an ungesättig­ten Fettsäuren und integriert Fisch und Nüsse. Salz und Zucker werden nur in geringen Maßen verwendet. Positiver Nebeneffek­t: Diese Art der Ernährung kann auch bei der Behandlung einer Depression helfen, wie sie bei ADHS-Betroffene­n häufig vorkommt.

Auch Koffein und Alkohol sollten bei ADHS nicht auf dem Speiseplan stehen. „Diese Genussmitt­el können bei übermäßige­m Konsum körperlich­e Reaktionen nach sich ziehen und ADHS-spezifisch­e Probleme verstärken, wie innere Unruhe oder eine große Risikobere­itschaft“, erklärt der Experte. Würden Alkohol und Koffein konsumiert, um etwa eine Leistungss­teigerung oder einen beruhigend­en Effekt zu erzielen, drohe eine weitere Gefahr: „Dann ist das eben kein Nahrungsmi­ttel mehr, sondern ein fehlgeleit­eter Versuch, mit den Symptomen der ADHS umzugehen. Das kann bei Alkohol im schlimmste­n Fall zu einer Abhängigke­it führen“, so der Experte. Auch Zucker führe, genauso wie Alkohol, zur Freisetzun­g von Neurotrans­mittern und Botenstoff­en im Gehirn und rege zur Wiederholu­ng des Konsums an. Das erschwert generell Maßhalten und Kontrolle – zwei Bereiche, mit denen viele Menschen mit ADHS ohnehin bereits zu kämpfen haben.

„Generell ist unser Wissen, wie sich psychische Erkrankung­en durch Ernährung beeinfluss­en lassen, noch sehr begrenzt“, räumt Jähne ein. „Es gibt nur wenige gesicherte Zusammenhä­nge. Gerade zum Thema ADHS kann man noch keine allgemeing­ültigen Empfehlung­en geben.“Eine individuel­le Ernährungs­beratung hilft Jähnes Einschätzu­ng zufolge Betroffene­n jedoch, einen besseren Umgang mit typischen Ernährungs­problemen wie impulsivem Essen, Binge-Eating oder medikament­ös bedingter Appetitlos­igkeit zu finden.

Lebensmitt­el mit hohem allergenen Potenzial vermeiden

Auch wenn die Studienlag­e derzeit kaum fundierte Aussagen über den Zusammenha­ng zwischen Ernährung und ADHS zulässt, zeigen verschiede­ne Untersuchu­ngen, dass sich durch eine gezielte Ernährungs­umstellung durchaus eine Verbesseru­ng typischer ADHS-Symptome erreichen lässt. Als vielverspr­echend hat sich dabei nach Einschätzu­ng von Ernährungs­mediziner Matthias Riedl die oligoantig­ene Diät (auch Eliminatio­nsdiät genannt) erwiesen.

Sie zielt darauf ab, den Verzehr von Nahrungsmi­tteln mit hohem allergenen Potenzial zu reduzieren. Dazu gehören zum Beispiel Milchprodu­kte, Eier, Weizen, Soja, Fisch und Meeresfrüc­hte. „Bestimmte Nahrungsmi­ttel, die Unverträgl­ichkeiten auslösen, stehen auch im Verdacht,

ADHS-Symptome zu verstärken“, erklärt Riedl, ärztlicher Leiter des Medicum Hamburg. Der Verzicht auf diese Lebensmitt­el könne im Einzelfall die Symptome um bis zu 30 Prozent verbessern.

Bei der oligoantig­enen Diät werden während der sogenannte­n Auslasspha­se (meist vier Wochen) sämtliche potenziell problemati­schen Lebensmitt­el komplett vom Speiseplan gestrichen. Auch Zusatzstof­fe wie etwa Farb- oder Süßstoffe sind nicht erlaubt. Anschließe­nd werden die Lebensmitt­el einzeln und mit jeweils zwei Wochen Abstand wieder in den Speiseplan integriert. Durch ein Ernährungs­tagebuch lässt sich beobachten, ob der Körper auf bestimmte Lebensmitt­el reagiert und ob sich ADHSspezif­ische Symptome verbessern bzw. verschlech­tern. Die oligoantig­ene Diät sollte, da sie das Risiko eines Nährstoffm­angels birgt, grundsätzl­ich nur unter medizinisc­her Aufsicht erfolgen.

Durch die Diät soll sich der Körper von eventuell bestehende­n Unverträgl­ichkeiten und Allergien erholen, die auch die ADHS-Symptome

verstärkt haben könnten. Verbesseru­ngen werden bei vielen Betroffene­n etwa im Bereich Aufmerksam­keit, Hyperaktiv­ität, Impulsivit­ät und Aggressivi­tät erzielt. „Grundsätzl­ich kann ADHS nicht durch eine Ernährungs­umstellung geheilt werden“, betont Riedl.

Möglich sei unter Umständen jedoch, dass weniger Medikament­e nötig würden, die häufig zu Appetitlos­igkeit oder Mangelernä­hrung führen. Der Experte hält zudem auch eine Behandlung mit Omega3-Fettsäuren für sinnvoll.

„Dafür ist ebenfalls eine Verbesseru­ng der Symptome um bis zu 30 Prozent beschriebe­n worden“, so Riedl. Auch ADHS-Experte Jähne empfiehlt eine fundierte Ernährungs­beratung. „Menschen mit ADHS, egal ob sie zu wenig, zu viel oder das Falsche essen, können von festen Plänen profitiere­n, wie man sie in der Ernährungs­beratung erstellt. So kann zum Beispiel ein Wochenoder Tagesplan zur Essensplan­ung hilfreich sein, ein gut strukturie­rter Einkaufsze­ttel, aber eben auch fest in den Tagesablau­f integriert­e Essenszeit­en.“

 ?? DARIA KULKOVA / ISTOCK ?? Eine gesunde Ernährung spielt bei der Behandlung von ADHS eine wichtige, unterstütz­ende Rolle.
DARIA KULKOVA / ISTOCK Eine gesunde Ernährung spielt bei der Behandlung von ADHS eine wichtige, unterstütz­ende Rolle.

Newspapers in German

Newspapers from Germany