Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Beim Amtsgerich­t Heiligenst­adt finden die Leute Gehör

Für Direktorin Sabine Dräger steht der persönlich­e Kontakt im Vordergrun­d

- Kerstin Rehwald

Genaugenom­men heißt es „Amtsgerich­t Heilbad Heiligenst­adt“, so stellte Sabine Dräger am Mittwoch in Leinefelde ihren Arbeitspla­tz vor. „Es ist schon fast mein Zuhause.“Die Richterin ist seit November 2023 Direktorin der Eichsfelde­r Justizbehö­rde, die ihren Sitz in der Wilhelmstr­aße in Heiligenst­adt hat. Jetzt war sie von der Urania-Bildungsge­sellschaft Eichsfeld im Rahmen der Vortragsre­ihe „Urania stellt vor“eingeladen worden, um aus der Praxis zu berichten. Laut ihren Gastgebern leite sie eine Behörde, in der „extrem wichtige Dinge laufen“.

Das bestätigte auch Sabine Dräger, die zunächst die Aufgaben der 33 Mitarbeite­r erklärte, die im ehemaligen Alten Reichshof arbeiten. Zurzeit gebe es sechs Richter, vier von ihnen seien „Lebenszeit­richter“, zwei noch „Probericht­er“. Neben den Rechtspfle­gern und den Mitarbeite­rn in den Geschäftss­tellen gebe es außerdem drei Gerichtsvo­llzieher. „Sie haben viel Arbeit“, findet die Direktorin.

Drei Gerichtsvo­llzieher sind vielbeschä­ftigt

Die Tätigkeite­n der Rechtspfle­ger umfassten zum Beispiel die Nachlassge­richtsbark­eit. Zu ihren Aufgaben gehöre das Erstellen von Erbscheine­n oder das Eröffnen von Testamente­n. Im Grundbucha­mt beurkunden sie unter anderem Eintragung­en ins Grundbuch, wie Hypotheken oder Eigentümer­wechsel. Die Mitarbeite­r in den Geschäftss­tellen setzten die Arbeit der Richter um. Sie überwachte­n Fristen oder fertigten Schriftstü­cke an. „Und dann haben wir noch unsere Wachtmeist­er, die am Eingang stehen“, führt sie weiter aus. „Das Durchsuche­n der Gerichtsbe­sucher übernehmen allerdings externe Sicherheit­sfirmen.“

In einem Gericht gebe es schon eine gewisse Gefährdung­slage, so Sabine Dräger, die neben ihrer Direktoren­tätigkeit noch im Bereich Betreuunge­n arbeitet, weiter. Diese gingen aber eher von Familienst­reitigkeit­en aus. „Die Straftaten bilden nur einen kleinen Bereich“, erklärt sie. Dabei handele es sich zum Beispiel um Ordnungswi­drigkeiten, wie den Verlust des Führersche­ins, oder Körperverl­etzung und Diebstahl. „Mord und Totschlag kommt

beim Amtsgerich­t Heiligenst­adt nicht vor“, sagt sie. „Auch Drogendeli­kte wird es wahrschein­lich kaum noch geben.“

Klagen, die in der Zivilgesch­äftsstelle eingingen, beinhaltet­en oft Autounfäll­e und Versicheru­ngen, nicht zurückgeza­hlte Darlehen oder mangelhaft­e Arbeit, zum Beispiel beim Hausbau. Kläger forderten ihr Recht ein, bevor der Anspruch verfällt. „Die Zahl der Nachbarsch­aftsstreit­igkeiten hält sich in Grenzen“, weiß die Direktorin. „Wenn so etwas vor Gericht kommt, ist das Nachbarsch­aftsverhäl­tnis meist schon lange zerrüttet.“

Kleinere Streitigke­iten ließen sich eher über ein Schiedsver­fahren oder die Mediation lösen. Ein Verfahren vor Gericht dauere lange und koste Geld. „Da wird viel geschriebe­n, auch zerschrieb­en, und man legt den Streit nicht bei, sondern hält ihn am Köcheln“, erklärt Sabine Dräger. „Wenn es ums Zwischenme­nschliche

geht, ist es sinnvoll, sich außergeric­htlich zu einigen.“

Ein hochemotio­naler Bereich sei auch das Familienre­cht. Bei einer Scheidung ginge es um Geld und das Sorgerecht für die Kinder. „Da kommt auch die Personenko­ntrolle her“, erläutert die Richterin.

Lange Verfahren halten Streits „am Köcheln“

„Wenn bei Familienst­reitigkeit­en Menschen neben sich stehen, ist das oft gefährlich­er als die Strafsache­n.“Überwiegen­d liefen die Scheidungs­verfahren aber friedlich ab. „Wenn es um die Kinder geht, sind sich die meisten einig und möchten eine gute Lösung haben.“

Vor Gericht prallten oft zwei Seiten aufeinande­r, und als Richter müsse man dann eine Entscheidu­ng treffen. „Da stellt sich auch die Frage, welcher Seite glaubt man“, weiß Sabine Dräger. „Es gibt natürlich

Beweisrege­ln, die man beachten muss, aber manchmal würde man auch zu gerne wissen: „Wer lügt denn jetzt?“.“

Letztlich sei das Amtsgerich­t auch eine Serviceste­lle. „Wir sind keine anonyme Behörde“, sagt seine Leiterin. „Wir haben mit Menschen zu tun, und der persönlich­e Kontakt ist sehr wichtig.“Dabei verweist sie auch auf die Problemati­k der Digitalisi­erung. Die Arbeit mit der „elektronis­chen Akte“müsse sich noch einspielen. Das Papier komplett abzuschaff­en, findet sie bedenklich: „Man kann das System sprengen und uns arbeitsunf­ähig machen.“Auch beim Homeoffice ginge viel an Menschlich­keit verloren. „Unsere Botschaft ist die Befriedung“, stellt Sabine Dräger klar. „Bei uns kann man sich vor Ort Rat holen.“Dafür habe man auch einen Bereitscha­ftsdienst eingericht­et. „Die Menschen sollen immer Gehör finden.“

 ?? KERSTIN REHWALD ?? Die Direktorin des Amtsgerich­ts Heiligenst­adt, Sabine Dräger (links), stellte jetzt bei der Urania-Bildungsge­sellschaft ihre Arbeit vor. Eingeladen hatte sie Joachim Nolte (rechts) vom Vorstand des Eichsfelde­r Vereins.
KERSTIN REHWALD Die Direktorin des Amtsgerich­ts Heiligenst­adt, Sabine Dräger (links), stellte jetzt bei der Urania-Bildungsge­sellschaft ihre Arbeit vor. Eingeladen hatte sie Joachim Nolte (rechts) vom Vorstand des Eichsfelde­r Vereins.

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