Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Beim Amtsgericht Heiligenstadt finden die Leute Gehör
Für Direktorin Sabine Dräger steht der persönliche Kontakt im Vordergrund
Genaugenommen heißt es „Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt“, so stellte Sabine Dräger am Mittwoch in Leinefelde ihren Arbeitsplatz vor. „Es ist schon fast mein Zuhause.“Die Richterin ist seit November 2023 Direktorin der Eichsfelder Justizbehörde, die ihren Sitz in der Wilhelmstraße in Heiligenstadt hat. Jetzt war sie von der Urania-Bildungsgesellschaft Eichsfeld im Rahmen der Vortragsreihe „Urania stellt vor“eingeladen worden, um aus der Praxis zu berichten. Laut ihren Gastgebern leite sie eine Behörde, in der „extrem wichtige Dinge laufen“.
Das bestätigte auch Sabine Dräger, die zunächst die Aufgaben der 33 Mitarbeiter erklärte, die im ehemaligen Alten Reichshof arbeiten. Zurzeit gebe es sechs Richter, vier von ihnen seien „Lebenszeitrichter“, zwei noch „Proberichter“. Neben den Rechtspflegern und den Mitarbeitern in den Geschäftsstellen gebe es außerdem drei Gerichtsvollzieher. „Sie haben viel Arbeit“, findet die Direktorin.
Drei Gerichtsvollzieher sind vielbeschäftigt
Die Tätigkeiten der Rechtspfleger umfassten zum Beispiel die Nachlassgerichtsbarkeit. Zu ihren Aufgaben gehöre das Erstellen von Erbscheinen oder das Eröffnen von Testamenten. Im Grundbuchamt beurkunden sie unter anderem Eintragungen ins Grundbuch, wie Hypotheken oder Eigentümerwechsel. Die Mitarbeiter in den Geschäftsstellen setzten die Arbeit der Richter um. Sie überwachten Fristen oder fertigten Schriftstücke an. „Und dann haben wir noch unsere Wachtmeister, die am Eingang stehen“, führt sie weiter aus. „Das Durchsuchen der Gerichtsbesucher übernehmen allerdings externe Sicherheitsfirmen.“
In einem Gericht gebe es schon eine gewisse Gefährdungslage, so Sabine Dräger, die neben ihrer Direktorentätigkeit noch im Bereich Betreuungen arbeitet, weiter. Diese gingen aber eher von Familienstreitigkeiten aus. „Die Straftaten bilden nur einen kleinen Bereich“, erklärt sie. Dabei handele es sich zum Beispiel um Ordnungswidrigkeiten, wie den Verlust des Führerscheins, oder Körperverletzung und Diebstahl. „Mord und Totschlag kommt
beim Amtsgericht Heiligenstadt nicht vor“, sagt sie. „Auch Drogendelikte wird es wahrscheinlich kaum noch geben.“
Klagen, die in der Zivilgeschäftsstelle eingingen, beinhalteten oft Autounfälle und Versicherungen, nicht zurückgezahlte Darlehen oder mangelhafte Arbeit, zum Beispiel beim Hausbau. Kläger forderten ihr Recht ein, bevor der Anspruch verfällt. „Die Zahl der Nachbarschaftsstreitigkeiten hält sich in Grenzen“, weiß die Direktorin. „Wenn so etwas vor Gericht kommt, ist das Nachbarschaftsverhältnis meist schon lange zerrüttet.“
Kleinere Streitigkeiten ließen sich eher über ein Schiedsverfahren oder die Mediation lösen. Ein Verfahren vor Gericht dauere lange und koste Geld. „Da wird viel geschrieben, auch zerschrieben, und man legt den Streit nicht bei, sondern hält ihn am Köcheln“, erklärt Sabine Dräger. „Wenn es ums Zwischenmenschliche
geht, ist es sinnvoll, sich außergerichtlich zu einigen.“
Ein hochemotionaler Bereich sei auch das Familienrecht. Bei einer Scheidung ginge es um Geld und das Sorgerecht für die Kinder. „Da kommt auch die Personenkontrolle her“, erläutert die Richterin.
Lange Verfahren halten Streits „am Köcheln“
„Wenn bei Familienstreitigkeiten Menschen neben sich stehen, ist das oft gefährlicher als die Strafsachen.“Überwiegend liefen die Scheidungsverfahren aber friedlich ab. „Wenn es um die Kinder geht, sind sich die meisten einig und möchten eine gute Lösung haben.“
Vor Gericht prallten oft zwei Seiten aufeinander, und als Richter müsse man dann eine Entscheidung treffen. „Da stellt sich auch die Frage, welcher Seite glaubt man“, weiß Sabine Dräger. „Es gibt natürlich
Beweisregeln, die man beachten muss, aber manchmal würde man auch zu gerne wissen: „Wer lügt denn jetzt?“.“
Letztlich sei das Amtsgericht auch eine Servicestelle. „Wir sind keine anonyme Behörde“, sagt seine Leiterin. „Wir haben mit Menschen zu tun, und der persönliche Kontakt ist sehr wichtig.“Dabei verweist sie auch auf die Problematik der Digitalisierung. Die Arbeit mit der „elektronischen Akte“müsse sich noch einspielen. Das Papier komplett abzuschaffen, findet sie bedenklich: „Man kann das System sprengen und uns arbeitsunfähig machen.“Auch beim Homeoffice ginge viel an Menschlichkeit verloren. „Unsere Botschaft ist die Befriedung“, stellt Sabine Dräger klar. „Bei uns kann man sich vor Ort Rat holen.“Dafür habe man auch einen Bereitschaftsdienst eingerichtet. „Die Menschen sollen immer Gehör finden.“