Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Direktversicherte fühlen sich bei Krankenkassenbeiträgen abgezockt
Betroffene protestieren in Erfurt gegen Ungerechtigkeit. Enttäuschung über Gesetzesänderung der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2003 und Kanzler Scholz
Sie sind frustriert, verärgert, aufgebracht: knapp 100 Demonstranten am Samstagvormittag in ihren pinkfarbenen Westen vor dem Erfurter Hauptbahnhof und später auf dem Anger. Von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fühlen sie sich hintergangen. Von den Bundesregierungen seit 2004 betrogen. Denn nach einer Gesetzesänderung unter Rot-Grün im Jahr 2003 müssen sie beim Renteneintritt auf ihre Betriebsrenten oder kapitalbildenden Lebensversicherungen Krankenkassenbeiträge zahlen.
Das empfinden die Betroffenen als ungerecht. Ihnen gehen von der angesparten und sicher geglaubten Geldanlage fürs Rentenalter Summern zwischen 10.000 und 20.000 Euro als Beiträge an die Krankenkassen verloren. Ungerecht auch deshalb, weil beim Abschluss ihrer Verträge keine Rede davon war, dass im Alter plötzlich die Krankenkassen ihre Hände weit aufhalten und zusätzlich kassieren.
Zusätzlicher privater Vorsorge wird gewissermaßen gestraft
Auf diese Idee sei die Bundesregierung erst 2003 gekommen, empören sich die Demonstranten. Seither werde auch bei Altverträgen abkassiert, obwohl derartiges nie vereinbart wurde. Dabei war es besonbeim ders auch die rot-grüne Bundesregierung, die intensiv für eine zusätzliche private Altersvorsorge geworben habe. Dass der Protest gegen diese Krankenkassenbeiträge erst in den vergangenen Jahren immer massiver wurde, liegt vor allem daran, dass immer mehr Menschen Eintritt ins Rentenalter merken, wie stark die Auszahlung ihrer Direktversicherung beschnitten wird. Dabei sollte mit ihr die Rente aufgebessert werden.
Mit einer Ausnahme lassen sich am Samstag keine Politiker bei den Demonstrierenden blicken. Dabei sind Senioren sonst eine intensiv umworbene Gruppe, vor allem zu Wahlkampfzeiten. Nur Carola Stange, Vizefraktionschefin der Linkspartei im Landtag, versichert den Demonstranten die Unterstützung ihrer Partei. „Sparguthaben geklaut, Zukunft verbaut.“Mit dieser Aussage trifft sie den Nerv der zumeist älteren Menschen, die in ihrem Protestzug einen Sarg mit sich führen, auf dem steht: „Angelockt und abgezockt“.
Mehr als sechs Millionen Menschen bundesweit sollen von dieser Ungerechtigkeit betroffen sein. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) werfen die Demonstranten vor, das Problem aussitzen zu wollen. Sie fordern das Ende der „Doppelverbeitragung“, wie sie es nennen.
Denn jeder Betroffene hat während seines Berufslebens ganz normal seine Kassenbeiträge gezahlt. Die Bundesregierung müsse die derzeitige Praxis sofort beenden und den Betroffenen einen Ausgleich für die zu Unrecht kassierten Krankenkassenbeiträge zahlen, lautet ihre zentrale Forderung.