Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Mehr als 7000 Menschen am Klüschen Hagis
Bischof Neymeyr ruft bei Männerwallfahrt zur Wahrung von Menschenwürde und Demokratie auf
Für viele Eichsfelder ist der Himmelfahrtstag eine Verpflichtung, den Weg zum Klüschen Hagis einzuschlagen. Es ist in diesem Jahr die 68. Männerwallfahrt unter einem strahlend blauen Himmel. Die Feuerwehren regeln die Zufahrten, Rettungsdienst und Sicherheitsleute stehen bereit.
Der Hügel füllt sich. Bis unter das Kreuz stehen die Gläubigen am Berg. „Es sind mehr als voriges Jahr“, sagt Johannes Döring vom Bistum. Es dürften um die 7000 Menschen sein, wenn nicht mehr, die mit dem Bischof das Wallfahrtshochamt feiern wollen. Die Alte Burg Musikanten, die Sax-Brüder Etzelsbach und Ilcoro aus Beuren übernehmen die musikalische Gestaltung. Bischof Ulrich Neymeyr und Weihbischof Reinhard Hauke sind da. Viele Geistliche haben sich nahe des Altars versammelt, die Messdiener versehen ihre Aufgabe mit einem besonderen Ernst.
Den Lebensunterhalt selbst verdienen können
„Die Himmelfahrt Christi steigert die Würde des Menschen“, sagt Neymeyer. „Denn in der Auferstehung und Himmelfahrt hat Jesus seine menschliche Natur nicht abgestreift, er hat sie vielmehr behalten und mitgenommen ins Reich des himmlischen Vaters.“Eine größere Erhöhung des Menschen sei nicht denkbar. Deswegen sei Christi Himmelfahrt auch der Tag der Menschenwürde. „Und um diese Menschenwürde müssen wir Christen heute kämpfen.“
Schnell kommt der Bischof auf das Grundgesetz zu sprechen, zitiert Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“Dieser Artikel sei die Lehre aus der NS-Diktatur. „Jeder Mensch ist wertvoll, weil er ein Mensch ist, unabhängig davon, wie er aussieht, was er leisten kann, wie er lebt, auch wenn er ein Verbrecher ist“, sagt Neymeyr vehement.
Und doch müsse der Satz von der unantastbaren Würde heute verteidigt werden. Es gehe nicht nur um die Würde geflüchteter Menschen, es gehe auch um unsere eigene. „Wir müssen sie wie Menschen behandeln und über sie reden wie über
Menschen. Sicher müssen sich die verantwortlichen Politiker fragen, ob wir so vielen Menschen, die zu uns kommen, gerecht werden können“, gibt er zu bedenken. Auch das Asylrecht müsse vor Missbrauch geschützt werden.
Zur Menschenwürde gehöre, dass Menschen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. „Das muss möglich sein, und dazu muss es auch deutliche Anreize geben. Aber in jedem Fall müssen wir für den
simplen Satz eintreten: Auch ausländische Menschen sind Menschen.“Viele würden schon lange hier leben oder hätten die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Hautfarbe zeige die Buntheit der Schöpfung, aber sie dürfe nicht zu Herabsetzung führen „Ich danke allen, die sich um Integration bemühen – besonders hier im Eichsfeld.“An dieser Stelle brandet Applaus auf.
Neymeyr mahnt, dass die Gesellschaft um die Würde des Menschen
von Anfang bis zum Ende seines Lebens kämpfen müsse. Es gebe keine abgestufte Menschenwürde. Er nennt Schwangerschaftsbrüche, nimmt die Gesellschaft in die Pflicht, jungen Müttern zu helfen. Jeder Mensch müsste auch Kontakt zu einem behinderten Menschen haben, wünscht er sich. „Das ist keine Inklusionsideologie, sondern gelebte Menschenwürde.“
Übrigens habe man auch in der Kirche lernen müssen, die Würde
von Menschen mit anderer sexueller Orientierung oder Identität zu wahren. Anfang April hat die Glaubenskongregation dazu die „Dignitas infinita“verabschiedet. Er kommt zur Demokratie zurück: „Viele von Ihnen haben 1989 und 1990 mit Kerzen in der Hand für die Demokratie gekämpft. Ich verneige mich vor Ihnen und rufe Ihnen gerade in diesen bewegten Zeiten zu: Setzen wir uns für die Würde aller Menschen ein.“