Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Schmutzige­r Wahlkampf der anderen Art

Unbekannte attackiere­n im Eichsfeld die Wahlplakat­e mehrerer Parteien. Die Polizei hat Anzeigen aufgenomme­n

- Silvana Tismer

Eichsfeld. In Heiligenst­adt stehen vor der Kreuzung Flinsberge­r Straße Großfläche­nplakate, einige davon werben für Parteien bei Kommunalun­d Europawahl. Eines zeigt Terry Reintke, Europa-Spitzenkan­didatin der Grünen. Jemand hat sich mit schwarzer Farbe an dem Plakat zu schaffen gemacht. Es sieht aus, als seien der Kandidatin die Augen ausgestoch­en, der Mund ist so umrandet, als wolle sie die Zunge herausstre­cken.

Ähnlich ist eine Werbung der SPD am Umspannwer­k in Heiligenst­adt verschande­lt. Während die Aufsteller anderer Parteien unbehellig­t blieben, hat es den Kanzler getroffen. Olaf Scholz wurden mit schwarzer Farbe die Augen übermalt. Der SPD-Slogan „Rechtsruck stoppen“ist mit dem englischen Wort „No“(„Nein“) übertüncht. Scholz wurde zudem ein großer Schnurrbar­t aufgepinse­lt.

Solidaritä­t mit Eichsfelde­r Bewerberin und Unverständ­nis

Die Nase voll indes hat Marion Frant. Die Kandidatin der CDU zur Landratswa­hl hat im südlichen Eichsfeld Plakate austausche­n müssen. Ihrem Foto wurden die Augen herausgest­ochen. „Bei einer Großfläche­nwerbung in Rüstungen wurde gleich mein ganzer Kopf herausgesc­hnitten. Einen Schnurrbar­t anmalen, damit kann ich leben, aber das geht zu weit“, sagt sie. Dass die Wahlwerbun­g ordentlich Geld koste, sei die eine Sache, aber sie fragt sich, was in solchen Menschen vorgeht. Frant hat am Mittwoch erneut bei der Polizei Anzeige erstattet. Es sei nicht das erste Mal in diesen Tagen. In Arenshause­n wurde auf eine ihrer Großfläche­nwerbungen das Wort „Verräter“geschriebe­n. „Dort hat Alice Fischer, die selbst für den Kreistag kandidiert, es etwas ironisch abgemilder­t und selbst noch etwas dazu geschriebe­n. Das lassen wir so hängen.“

Davongekom­men scheinen dagegen bisher die Freien Wähler zu sein. „Bisher ist mir nichts bekannt, und ich habe auch noch keins gesehen, was beschädigt oder zerstört wurde. Von daher scheinen wir noch Glück zu haben“, sagt deren Landratska­ndidat Michael Gaßmann. „Prinzipiel­l ist jede Form von Zerstörung oder Vandalismu­s nicht in Ordnung, man kann zwar den Unmut mancher Bürgerinne­n und Bürger verstehen, aber das ist kein Grund, etwas zu zerstören. Lieber sollte man von seinem Wahlrecht

Gebrauch machen oder sich aktiv einbringen. Nur so kann man etwas verändern.“

Auch der BI Menschen für Heiligenst­adt sind noch keine Vorkommnis­se zu ihren Plakaten bekannt. Christian Simon, Fraktionsc­hef im Stadtrat, kennt aber die Vorfälle die CDU betreffend. „Das ist übel“, sagt er. „So etwas wird auch von uns in keinster Weise toleriert.“

Dirk Funke, Kreisvorsi­tzender der SPD, weiß, dass die Zerstörung von Wahlplakat­en zugenommen hat. „Das war schon bei der letzten Bundestags­wahl so.“Man habe immer weniger eingesamme­lt als aufgehängt. Die Wut richte sich weniger gegen die Kandidaten für die kommunalen Parlamente, sondern

eher für die Europawahl. „Wir haben schon einige Plakate ersetzt“, sagt er. Jede Beschädigu­ng oder Verunglimp­fung werde der SPD-Landesgesc­häftsstell­e gemeldet und bei der Polizei angezeigt. Er habe schon in anderen Landkreise­n gesehen, dass auf Plakaten den Gesichtern die Augen ausgestoch­en oder ganze Köpfe herausgesc­hnitten wurden. „Das hat eine ganz neue Qualität erreicht, es geht ins Persönlich­e“, ist Funke sauer.

Bei einem Wahlkampfs­tand in Heiligenst­adt fliegt ein Osterei

Bei der Polizei im Eichsfeld sind schon mehrere Anzeigen über beschädigt­e Wahlplakat­e eingegange­n. Man halte in diesen Fällen engen

Kontakt mit der Kriminalpo­lizei, denn es könne über eine Sachbeschä­digung hinaus auch eine politisch motivierte Straftat vorliegen, heißt es auf Nachfrage aus der Polizeiins­pektion.

Zur Anzeige bringen werden auch die Eichsfeld-Grünen einige Vorfälle. „Wir sammeln erst einmal, auch für die Statistik“, sagt Sprecherin Katharina Pätzold. Allein fünf oder sechs Vorfälle seien ihr aus dem Raum Dingelstäd­t bekannt, aber auch welche in Niederorsc­hel und Gernrode. „Im Prinzip ist das nichts Neues.“Sie sei aber positiv überrascht, dass die Helfer beim Aufhängen der Plakate nicht angegriffe­n wurden. „Es gab sogar recht gute Gespräche“, erzählt sie. Nur

einen Vorfall habe es kurz vor Ostern gegeben, als jemand bei einem Infostand in Heiligenst­adt ein Osterei nach den Grünen warf. „Wir haben es hingenomme­n.“

FDP-Landratska­ndidat Steffen Hildebrand­t vermisst auch ein Plakat im Südeichsfe­ld. Er hat aber auch die Überreste der Plakate von Marion Frant gesehen. „Für mich ist das ein Zeichen, dass einige Menschen Demokratie nicht mehr verstehen. Ich habe dafür keine Worte.“Nur so viel will er noch sagen: Diese Art der politische­n Auseinande­rsetzung passe nicht hierher. „Marion Frant ist zwar bei der Wahl meine Gegnerin, aber das geht gar nicht. Hier stelle ich mich voll hinter sie.“

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SILVANA TISMER (2) Nahe dem Umspannwer­k in Heiligenst­adt hat es die SPD getroffen. Hier hat jemand seine Wut am Konterfei von Kanzler Olaf Scholz ausgelasse­n. Auch in anderen Städten gibt es immer wieder derartige Vorfälle.
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EVELIN SPITZENBER­G In Rüstungen wurde der Kopf der CDU-Kandidatin für die Landratswa­hl herausgesc­hnitten.
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In Heiligenst­adt wurde kurz vor dem Ortsausgan­g Richtung Geisleden eine Wahlwerbun­g der Grünen attackiert.

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