Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Schmutziger Wahlkampf der anderen Art
Unbekannte attackieren im Eichsfeld die Wahlplakate mehrerer Parteien. Die Polizei hat Anzeigen aufgenommen
Eichsfeld. In Heiligenstadt stehen vor der Kreuzung Flinsberger Straße Großflächenplakate, einige davon werben für Parteien bei Kommunalund Europawahl. Eines zeigt Terry Reintke, Europa-Spitzenkandidatin der Grünen. Jemand hat sich mit schwarzer Farbe an dem Plakat zu schaffen gemacht. Es sieht aus, als seien der Kandidatin die Augen ausgestochen, der Mund ist so umrandet, als wolle sie die Zunge herausstrecken.
Ähnlich ist eine Werbung der SPD am Umspannwerk in Heiligenstadt verschandelt. Während die Aufsteller anderer Parteien unbehelligt blieben, hat es den Kanzler getroffen. Olaf Scholz wurden mit schwarzer Farbe die Augen übermalt. Der SPD-Slogan „Rechtsruck stoppen“ist mit dem englischen Wort „No“(„Nein“) übertüncht. Scholz wurde zudem ein großer Schnurrbart aufgepinselt.
Solidarität mit Eichsfelder Bewerberin und Unverständnis
Die Nase voll indes hat Marion Frant. Die Kandidatin der CDU zur Landratswahl hat im südlichen Eichsfeld Plakate austauschen müssen. Ihrem Foto wurden die Augen herausgestochen. „Bei einer Großflächenwerbung in Rüstungen wurde gleich mein ganzer Kopf herausgeschnitten. Einen Schnurrbart anmalen, damit kann ich leben, aber das geht zu weit“, sagt sie. Dass die Wahlwerbung ordentlich Geld koste, sei die eine Sache, aber sie fragt sich, was in solchen Menschen vorgeht. Frant hat am Mittwoch erneut bei der Polizei Anzeige erstattet. Es sei nicht das erste Mal in diesen Tagen. In Arenshausen wurde auf eine ihrer Großflächenwerbungen das Wort „Verräter“geschrieben. „Dort hat Alice Fischer, die selbst für den Kreistag kandidiert, es etwas ironisch abgemildert und selbst noch etwas dazu geschrieben. Das lassen wir so hängen.“
Davongekommen scheinen dagegen bisher die Freien Wähler zu sein. „Bisher ist mir nichts bekannt, und ich habe auch noch keins gesehen, was beschädigt oder zerstört wurde. Von daher scheinen wir noch Glück zu haben“, sagt deren Landratskandidat Michael Gaßmann. „Prinzipiell ist jede Form von Zerstörung oder Vandalismus nicht in Ordnung, man kann zwar den Unmut mancher Bürgerinnen und Bürger verstehen, aber das ist kein Grund, etwas zu zerstören. Lieber sollte man von seinem Wahlrecht
Gebrauch machen oder sich aktiv einbringen. Nur so kann man etwas verändern.“
Auch der BI Menschen für Heiligenstadt sind noch keine Vorkommnisse zu ihren Plakaten bekannt. Christian Simon, Fraktionschef im Stadtrat, kennt aber die Vorfälle die CDU betreffend. „Das ist übel“, sagt er. „So etwas wird auch von uns in keinster Weise toleriert.“
Dirk Funke, Kreisvorsitzender der SPD, weiß, dass die Zerstörung von Wahlplakaten zugenommen hat. „Das war schon bei der letzten Bundestagswahl so.“Man habe immer weniger eingesammelt als aufgehängt. Die Wut richte sich weniger gegen die Kandidaten für die kommunalen Parlamente, sondern
eher für die Europawahl. „Wir haben schon einige Plakate ersetzt“, sagt er. Jede Beschädigung oder Verunglimpfung werde der SPD-Landesgeschäftsstelle gemeldet und bei der Polizei angezeigt. Er habe schon in anderen Landkreisen gesehen, dass auf Plakaten den Gesichtern die Augen ausgestochen oder ganze Köpfe herausgeschnitten wurden. „Das hat eine ganz neue Qualität erreicht, es geht ins Persönliche“, ist Funke sauer.
Bei einem Wahlkampfstand in Heiligenstadt fliegt ein Osterei
Bei der Polizei im Eichsfeld sind schon mehrere Anzeigen über beschädigte Wahlplakate eingegangen. Man halte in diesen Fällen engen
Kontakt mit der Kriminalpolizei, denn es könne über eine Sachbeschädigung hinaus auch eine politisch motivierte Straftat vorliegen, heißt es auf Nachfrage aus der Polizeiinspektion.
Zur Anzeige bringen werden auch die Eichsfeld-Grünen einige Vorfälle. „Wir sammeln erst einmal, auch für die Statistik“, sagt Sprecherin Katharina Pätzold. Allein fünf oder sechs Vorfälle seien ihr aus dem Raum Dingelstädt bekannt, aber auch welche in Niederorschel und Gernrode. „Im Prinzip ist das nichts Neues.“Sie sei aber positiv überrascht, dass die Helfer beim Aufhängen der Plakate nicht angegriffen wurden. „Es gab sogar recht gute Gespräche“, erzählt sie. Nur
einen Vorfall habe es kurz vor Ostern gegeben, als jemand bei einem Infostand in Heiligenstadt ein Osterei nach den Grünen warf. „Wir haben es hingenommen.“
FDP-Landratskandidat Steffen Hildebrandt vermisst auch ein Plakat im Südeichsfeld. Er hat aber auch die Überreste der Plakate von Marion Frant gesehen. „Für mich ist das ein Zeichen, dass einige Menschen Demokratie nicht mehr verstehen. Ich habe dafür keine Worte.“Nur so viel will er noch sagen: Diese Art der politischen Auseinandersetzung passe nicht hierher. „Marion Frant ist zwar bei der Wahl meine Gegnerin, aber das geht gar nicht. Hier stelle ich mich voll hinter sie.“