Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Glas gefährdet Vögel
Schüler des Heiligenstädter Lingemann-Gymnasiums gestalten einen Informationsabend. Ihre Seminarfacharbeit thematisiert eine besondere Problematik
Einem wenig beachteten Thema widmeten sich jetzt Paula Sywall, Josephine Nienhaus und Paul Kobold. Unter dem Titel „Kollisionskurs – Die Gefahren von Glasflächen für Vögel“hatten sich die drei Schüler des Heiligenstädter Lingemann-Gymnasiums im Rahmen einer Seminarfacharbeit mit der Problematik des Vogelschutzes im urbanen Raum beschäftigt.
Ihre Ergebnisse stellten die Elftklässler am Montag einem breiten Publikum in der Aula ihrer Schule vor. „18 Millionen Vögel sterben jährlich aufgrund einer Kollision mit Glas“, eröffnete Paula Sywall den Vortrag. „Dabei spielen sie eine extrem wichtige Rolle im Ökosystem.“Denn Vögel sängen nicht nur schön, sondern sie sind als Insektenfresser und Samenverteiler auch Nützlinge.
In den vergangenen Jahren habe es einen enormen Bestandsrückgang gegeben, die Zahl der Vögel habe sich um 30 Prozent verringert. Eines der Probleme seien Bauten aus Glas. „Vögel können Glas nicht als Hindernis wahrnehmen“, fährt Paula Sywall fort. „Zum einen reflektiert Glas, zum anderen ist es durchsichtig.“Zu den Bauten zählten Bushaltestellen, Lärmschutzwände, Wintergärten oder Glasdurchgänge an Gebäuden. Wenn Glas zum Beispiel die Landschaft reflektiert, sähen die Vögel das als erweiterten Lebensraum und flögen auf direktem Wege dagegen.
Geschlossene Jalousien können helfen
„Auch in Heiligenstadt gibt es Gebäude mit Glas“, stellten die Schüler fest. Das Kulturhaus, der Busbahnhof und ihre Schule zählten dazu. „Für die Vögel hat eine Kollision mit Glas schlimme Folgen“, verdeutlichte Josephine Nienhaus. Genickbrüche und innere Verletzungen gehörten ebenso dazu, wie ausgekugelte Gelenke. „Dann kann der Vogel nicht mehr fliegen“, so die Schülerin weiter, „und dadurch kann er keine Nahrung mehr finden und muss sterben.“
Die drei Referenten gingen auch der Frage nach, wie man einem kollidierten Vogel helfen kann. In einem eigens gedrehten Video präsentierten sie die Maßnahmen. „Wer einen verletzten Vogel findet, setzt ihn am besten für ein bis zwei Stunden in einen Karton mit vielen Löchern, damit er sich erholen kann“, rät Josephine Nienhaus.
„Auf keinen Fall sollte man ihm Wasser und Futter geben, denn er könnte daran ersticken.“Schwerverletzte Vögel müsse man zum Tierarzt bringen.
Um dem Vogeltod durch Glas vorzubeugen, können verschiedene Maßnahmen getroffen werden. Paul Kobold klärte zunächst einen Mythos auf. Greifvogelaufkleber seien unwirksam. „Der Vogel versucht, daran vorbeizufliegen, und dann fliegt er trotzdem in die Glasscheibe“, erläuterte der 17-Jährige. „Aber es hilft, das Glas mit Mustern zu bekleben.“Lärmschutzwände an Autobahnen könne man mit Streifenaufklebern versehen.
An der Glas-Einzäunung des Krankenhausparks in Heiligenstadt sei zum Beispiel eine Folie aufgezogen worden, um Abhilfe zu schaffen. Auch Sonnenschutz eigne sich, um Vögel vor der Kollision mit Glas zu bewahren. „Heruntergelassene Jalousien schützen die Vögel“, führt Paul Kobold weiter aus. „Allerdings
sind Sonnenschutzeinrichtungen nur wirksam, wenn sie immer unten sind.“Bei einem Spaziergang durch die Stadt habe er festgestellt, dass auch Gitter an den Fenstern als Vogelschutz dienen können. „Bei Neubauten sollte man halbdurchsichtiges Glas oder Milchglas verwenden“, schlägt er vor und führt als Beispiel das Europa-Parlament in Straßburg an. Auch dort könne man den Vögeln einen großen Gefallen tun, wenn man im Nachhinein ein Streifen- und Punkteraster auf den Glasflächen anbringt.
Für den verglasten Verbindungsflur zwischen Neu- und Altbau des Lingemann-Gymnasiums sei als Vogelschutzmaßnahme das Aufziehen einer Folie auf die Scheiben geplant. Hier müsse noch die Kostenübernahme geklärt werden. „Vogelschutz ist wichtig“, sind sich Paula Sywall, Josephine Nienhaus und Paul Kobold einig. „Besonders beim Neubau muss darauf geachtet werden,
damit wir auch in Zukunft noch Vogelgezwitscher in unseren Parks haben.“
Mit ihrem Informationsabend wollten die Schüler auf die Problematik des Vogelschlags an Glas aufmerksam machen und die Gesellschaft dafür sensibilisieren. Um dem Thema Nachdruck zu verleihen, hatten sie auch einige Heiligenstädter Persönlichkeiten eingeladen. Neben Vogelkundler Wilhelm Roth, dem Leiter des Liegenschaftsamtes Frank Dörnbach und Kreistagsmitglied Norbert Sondermann (Grüne), war auch Thomas Spielmann (BI) unter den Zuhörern. „Wir haben den Bürgermeister extra eingeladen, weil er einer der Hauptverantwortlichen bei der Planung und dem Design der Stadt ist“, erläuterte dazu Paul Kobold. „Bei zukünftigen Baumaßnahmen und Modernisierungsarbeiten kann er die Architekten darauf aufmerksam machen, den Vogelschutz mit zu berücksichtigen.“