Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Sprache als ständige Entwicklung
Schon immer wirken äußere Einflüsse auf die Art, wie wir uns verständigen
Oft echauffieren sich ältere Leute über die Sprache der Jugend, manchmal klingt sie obszön, manchmal undeutbar, aber das war auch in unserer Jugend so, fetzig, knorke, urst – das versteht heute auch keiner mehr. Aber die Sprache lebt von Einflüssen von außen, schon immer. Unsere heutigen Sprachen in Europa sind indogermanisch beziehungsweise indoeuropäisch, das kommt vom Wanderungsund Migrationsprozessen, die leider oft auf kriegerischen Auseinandersetzungen beruhten.
Die Völkerwanderung: Ausgelöst durch den Einbruch der Hunnen nach Europa, wanderten Mitglieder der germanischen Stämme umher und siedelten woanders. Die Angeln und Sachsen „schwammen“über den Kanal, wo sie ihre Sprache, das Angelsächsische, erfolgreich einführten.
Das Römische Reich: Die Römer bauten Städte aus Mauern und Häuser mit Fenstern, während deren „barbarische“Nachbarn noch in Erdhütten lebten, mit der Nachahmung
der Bauten wurden auch die Wörter übernommen, Mauer oder Fenster sind lateinische Fremd-, inzwischen angepasste Lehnwörter.
Vom Halunken über den Ombudsmann
30-Jähriger Krieg: Es gibt seitdem viele französische oder italienische Wörter, die man noch an der Schreibweise erkennt, zum Beispiel Niveau, Akteur, Adresse, zudem viele militärische Begriffe wie Alarm, Soldat, Munition. Auch Fremdwörter aus anderen Sprachgebieten finden sich wieder, „Halunke“aus dem tschechisch-schlesischen Sprachgebiet, ursprünglich Diener/ junger Mann (so jung, dass er noch unbehaart ist).
Ombudsmann ist schwedisch, Ombud bedeutet Vollmacht. Auch aus dem jüdischen Sprachgebrauch finden sich noch viele Wörter, Schlamassel geht auf das jiddische „schlimmasl“zurück. Oder die kaum verständliche Wendung: „Es zieht wie Hechtsuppe.“Das geht auf das jiddische „hech supha“zurück, was starker Wind bedeutet.
Napoleon: Durch seine Feldzüge und Herrschaft kamen neue französische Wörter in unsere Sprache, die vor allem die Lebensweise betreffen, Ballett, Dessert oder die bis heute kaum schreibbare Bouillon. Übrigens kommt das Wort „Bistro“auch aus der Zeit, als russische Soldaten im französischen Heer kämpften, die bei den Ausgabestellen immer gerufen haben sollen „bystro“, wir kennen es noch aus dem Russischunterricht. Weiter russische Wörter halten sich kaum,
Datsche ist im Schwinden, Grenze von Graniza nicht, wenn auch Putin gern mit dem Wort spielt.
Mit der zunehmenden Globalisierung kamen weitere Wörter in unsere Sprache, Plädoyer aus dem Französischen; Parlament, Computer, Baby, Hobby aus dem Englischen.
Aus dem Indischen mit Umweg über das Englische zum Beispiel Pyjama, von den Inuit kam Anorak, so gibt es viele Beispiele, auch falsche, das Wort Handy ist eine ScheinangFreundschaft lizismus, im Englischen heißt es mobile phone. Handy bedeutet nur handlich.
Mein Lieblingsfremdwort ist „viral“, heute geht alles viral, es verbreitet sich rasend schnell wie ein Virus. Aber der Vorteil ist, viele Wörter der indogermanischen Sprachfamilie sind ähnlich und verständlich. Die Ausnahmen sind die finnugrischen Sprachen, zu denen Finnisch und Ungarisch gehören, da lässt sich kaum etwas ableiten, ich kenne nur „Sauna“und aus dem Ungarischen „gulyás” beziehungsweise „paprika”.
Abgesehen von den Entwicklungen Alt-, Mittel-, Neuhochdeutsch und Luther kam es durch Lautverschiebungen, die nicht konsequent durchgeführt wurden, zu verschiedenen Akzenten, Dialekten im deutschen Sprachgebiet. Die zweite Lautverschiebung wurde nur im Süden konsequent durchgeführt (k zu kch, ch), in Mitteldeutschland teilweise und im Norden gar nicht. Als mein Sohn nach Potsdam zog, sagte ich, er lebe nun nördlich der „ickich-Linie“, was er witzig fand, bis er bemerkte, es stimmte.