Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Sprache als ständige Entwicklun­g

Schon immer wirken äußere Einflüsse auf die Art, wie wir uns verständig­en

- Regina Rothenberg­er

Oft echauffier­en sich ältere Leute über die Sprache der Jugend, manchmal klingt sie obszön, manchmal undeutbar, aber das war auch in unserer Jugend so, fetzig, knorke, urst – das versteht heute auch keiner mehr. Aber die Sprache lebt von Einflüssen von außen, schon immer. Unsere heutigen Sprachen in Europa sind indogerman­isch beziehungs­weise indoeuropä­isch, das kommt vom Wanderungs­und Migrations­prozessen, die leider oft auf kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen beruhten.

Die Völkerwand­erung: Ausgelöst durch den Einbruch der Hunnen nach Europa, wanderten Mitglieder der germanisch­en Stämme umher und siedelten woanders. Die Angeln und Sachsen „schwammen“über den Kanal, wo sie ihre Sprache, das Angelsächs­ische, erfolgreic­h einführten.

Das Römische Reich: Die Römer bauten Städte aus Mauern und Häuser mit Fenstern, während deren „barbarisch­e“Nachbarn noch in Erdhütten lebten, mit der Nachahmung

der Bauten wurden auch die Wörter übernommen, Mauer oder Fenster sind lateinisch­e Fremd-, inzwischen angepasste Lehnwörter.

Vom Halunken über den Ombudsmann

30-Jähriger Krieg: Es gibt seitdem viele französisc­he oder italienisc­he Wörter, die man noch an der Schreibwei­se erkennt, zum Beispiel Niveau, Akteur, Adresse, zudem viele militärisc­he Begriffe wie Alarm, Soldat, Munition. Auch Fremdwörte­r aus anderen Sprachgebi­eten finden sich wieder, „Halunke“aus dem tschechisc­h-schlesisch­en Sprachgebi­et, ursprüngli­ch Diener/ junger Mann (so jung, dass er noch unbehaart ist).

Ombudsmann ist schwedisch, Ombud bedeutet Vollmacht. Auch aus dem jüdischen Sprachgebr­auch finden sich noch viele Wörter, Schlamasse­l geht auf das jiddische „schlimmasl“zurück. Oder die kaum verständli­che Wendung: „Es zieht wie Hechtsuppe.“Das geht auf das jiddische „hech supha“zurück, was starker Wind bedeutet.

Napoleon: Durch seine Feldzüge und Herrschaft kamen neue französisc­he Wörter in unsere Sprache, die vor allem die Lebensweis­e betreffen, Ballett, Dessert oder die bis heute kaum schreibbar­e Bouillon. Übrigens kommt das Wort „Bistro“auch aus der Zeit, als russische Soldaten im französisc­hen Heer kämpften, die bei den Ausgabeste­llen immer gerufen haben sollen „bystro“, wir kennen es noch aus dem Russischun­terricht. Weiter russische Wörter halten sich kaum,

Datsche ist im Schwinden, Grenze von Graniza nicht, wenn auch Putin gern mit dem Wort spielt.

Mit der zunehmende­n Globalisie­rung kamen weitere Wörter in unsere Sprache, Plädoyer aus dem Französisc­hen; Parlament, Computer, Baby, Hobby aus dem Englischen.

Aus dem Indischen mit Umweg über das Englische zum Beispiel Pyjama, von den Inuit kam Anorak, so gibt es viele Beispiele, auch falsche, das Wort Handy ist eine ScheinangF­reundschaf­t lizismus, im Englischen heißt es mobile phone. Handy bedeutet nur handlich.

Mein Lieblingsf­remdwort ist „viral“, heute geht alles viral, es verbreitet sich rasend schnell wie ein Virus. Aber der Vorteil ist, viele Wörter der indogerman­ischen Sprachfami­lie sind ähnlich und verständli­ch. Die Ausnahmen sind die finnugrisc­hen Sprachen, zu denen Finnisch und Ungarisch gehören, da lässt sich kaum etwas ableiten, ich kenne nur „Sauna“und aus dem Ungarische­n „gulyás” beziehungs­weise „paprika”.

Abgesehen von den Entwicklun­gen Alt-, Mittel-, Neuhochdeu­tsch und Luther kam es durch Lautversch­iebungen, die nicht konsequent durchgefüh­rt wurden, zu verschiede­nen Akzenten, Dialekten im deutschen Sprachgebi­et. Die zweite Lautversch­iebung wurde nur im Süden konsequent durchgefüh­rt (k zu kch, ch), in Mitteldeut­schland teilweise und im Norden gar nicht. Als mein Sohn nach Potsdam zog, sagte ich, er lebe nun nördlich der „ickich-Linie“, was er witzig fand, bis er bemerkte, es stimmte.

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REGINA ROTHENBERG­ER Das Wort „Bistro“verbinden wir heute vor allem mit Frankreich. Doch es wird angenommen, dass es sich vom russischen Wort „bystro“(schnell) herleitet.

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