Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Ruhla bewirbt sich erneut um Prädikat „Anerkannter Erholungsort“
Zertifizierung läuft 2018 aus. Neue und härtere Kriterien sind zu erfüllen. Bürgermeister ärgert sich über Ungleichbehandlung
Ruhla. Auf ein Neues heißt es für die Stadt Ruhla. Seit 2003 trägt die Bergstadt den Titel „Staatlich anerkannter Erholungsort“und ist darauf auch stolz. Es war ja damals schon ein schwerer Weg, das Prädikat überhaupt zu bekommen. Im kommenden Jahr läuft die Zertifizierung aber aus. Und da es seit 2014 ein neues Kurstadtgesetz im Freistaat Thüringen gibt, muss der Titel komplett neu erworben werden. Bis Mitte 2017 muss die Stadt Ruhla den Antrag einreichen, der entsprechende Ratsbeschluss ist gefasst.
„Dieser Beschluss ist aber nur der erste Schritt, da müssen wir jetzt schon noch ordentlich dran arbeiten, um den Antrag rechtzeitig fertig zu bekommen“, wissen Bürgermeister Hans-joachim Ziegler (SPD) und Mitarbeiterin Silke Möller. Die Bedingungen sind schärfer geworden, die Auflagen höher, die es für eine Zertifizierung zu erfüllen gilt. Allein 20 Kriterien listet das Gesetz auf, deren Erfüllung die Stadt nachweisen muss. „Vieles schaffen wir problemlos, aber bei einigen Kriterien müssen wir was tun und Geld in die Hand nehmen“, so Ziegler. Rund 50 000 Euro wird es wohl in diesem und im kommenden Jahr zusammen kosten.
Kein Problem stellen Kriterien dar, wie die Versorgungsmöglichkeit der Touristen mit Lebensmitteln oder das Vorhandensein von öffentlicher Toilette oder Badeeinrichtung. Schwieriger wird es da schon, wenn von Barrierefreiheit bei den Angeboten für Touristen die Rede ist. „Barrierefreiheit ist in Ruhla aufgrund der Topographie eh schon schwierig. Aber da, wo wir neu gebaut haben, haben wird darauf geachtet“, so Ziegler. Was die geforderte gute Luftqualität betrifft, so steht für Ziegler fest, dass Ruhla (es wird übrigens für die komplette Stadt mit Kittelsthal und Thal beantragt) da kein Problem hat. „Wir haben kleine und mittelständischen Gewerbe- und Industriebetriebe am Ort, die alle sauber und hochmodern arbeiten“, verweist der Bürgermeister. Aber die Luftqualität und die für die Zertifizierung nötigen „bioklimatischen und lufthygienischen Voraussetzungen“müssen nachgewiesen werden. Also gibt die Stadt nun ein Gutachten in Auftrag, das wohl um die 5000 Euro kostet.
Und auch auf den Bauhof der Stadt kommt Arbeit zu. Denn auch ein „durchgängig ausgeschildertes Wander- und Fahrradwegenetz“ ist ein Kriterium. „Da heißt es, mit dem Forst neue und aktualisierte Schilder aufstellen, aber auch den Naturerlebnispfad wieder auf Vordermann bringen“, so Ziegler.
Dass der Aufwand lohnt, zeigt die Entwicklung im Tourismus seit 2009. Im Jahr 2008 gab es einen heftigen Einbruch der Gästezahlen. Seitdem geht es stetig aufwärts. Zählten im Jahr 2008 die Statistiker 14 904 Übernachtungen in Ruhla (es werden Betriebe mit zehn und mehr Betten gewertet), hat sich diese Zahl bis 2015 mit 36 077 deutlich mehr als verdoppelt. Und die Aufenthaltsdauer hat sich von einst 2 Tagen auf 3,3 erhöht, und liegt klar über den geforderten 2,5. „Das hängt maßgeblich mit der Ansiedlung der Ferienhaus-lichtung im ehemaligen Bungalowdorf zusammen“, freut sich Ziegler.
Starker Anstieg bei den Übernachtungen
Zertifizierung ist auch eine Frage des Geldes
Problematisch ist vor allem ein Punkt: Nach den Vorgaben des Gesetzes soll sich die Mehrzahl der Gästebetten in Betrieben befinden, die mindestens in der Kategorie „drei Sterne“zertifiziert sind. In Ruhla ist kaum ein Betrieb überhaupt zertifiziert, weil solche Zertifizierungen Geld kosten und von den Unternehmern kaum als nötig erachtet werden.
Da geht die Stadt nun in die Offensive und lädt die Gastgeber zu Gesprächs- und Informationsrunden ein. Zumindest für die kleineren Betriebe will es die Kommune auch preisgünstiger hinbekommen. Demnächst soll eine Mitarbeiterin des Rathauses weitergebildet werden, damit sie die Zertifizierung übernehmen kann. Ziegler: „Das wird dann klar kostengünstiger“. Nur bei den Hotels geht das nicht, da sind Zertifizierung des Hotel- und Gaststättenverbandes nötig.
Eine ganz zentrale Forderung ist natürlich, dass es eine funktionierende, gute und vom Deutschen Tourismusverband zertifizierte Touristinformation gibt. Mit der Touristinfo auf dem Markt, die auch gleichzeitig Naturparkinformation ist, hält die Stadt genau so etwas vor. Und auch die in den vergangenen Monaten ausgedünnten Öffnungszeiten werden nun wieder verbessert. Allerdings muss für die Zertifizierung durch den Tourismusverband der nächste Kriterien-katalog erfüllt sein.
Da geht es darum, ob in der Touristinfo alle Beherbergungsleistungen erfüllt werden können, ob dort Führungen und andere Angebote vermittelt werden können. Es geht auch um Freundlichkeit, Kompetenz der Mitarbeiter und Übersichtlichkeit der Angebote. „Das wird sozusagen undercover überprüft“, weiß Silke Möller. Ohne Voranmeldung wird dann ein Mitarbeiter des Tourismusverbandes als Tourist die Info testen. „Meistens haben die auch Kinder dabei, denn es wird auch geprüft, ob sowohl die Touristinfo an sich und die Angebote kindergerecht sind“.
Da sind also noch Baustellen offen, bis der Antrag abgegebene werden kann. Aber Ziegler ist sehr optimistisch, dass dies fristgerecht gelingt.
Ein wenig verdrießlich ist der Spd-rathauschef in der Frage Kur- und Erholungsorte aber mit seinem, das gleich Parteibuch besitzenden Landesminister und sagt: „Für die Kurorte gibt es einen Sondertopf im Landeshaushalt mit 10 Millionen Euro drin.“So habe nach seinen Informationen Bad Liebenstein 1,7 Millionen Euro erhalten und Bad Salzungen rund 900 000 Euro. „Ich gönne den Kollegen jeden Cent, aber der Erholungsort Ruhla hat nichts bekommen“, sagt Ziegler.
Diese Ungleichbehandlung hat er Minister Wolfgang Tiefensee und dem Linke-landtagsabgeordnetem Frank Kuschel nicht nur vorgetragen, sondern auch Unterlagen ausgereicht. „Im Gespräch haben sowohl Tiefensee als auch Kuschel Verständnis geäußert. Seitdem haben wir aber nichts mehr gehört und schon gar nichts gekriegt“.