Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Das Ei ist immer noch hart und die Kuh Elsa hat immer noch Pech
R Laienspielgruppe Nazza probt für ihre Zusatzvorstellung „Örgendwas ist ümmer“
Ein Niederländer hat sich daran gemacht, das Schöne und Verbindende auf unserem Kontinent ins Blickfeld zu heben. Es wird viel über Europa diskutiert heutzutage. Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an die gemeinsame Kultur aller Europäer.
Alphabetisch arbeitet sich der Autor vor – vom französischen Chanson „Amsterdam“von Jacques Brel bis zur Zypressenholz-madonna, der Schwarzen Madonna von Tschenstochau.
Der Leser wird auf eine Reise durch ganz Europa mitgenommen, lernt Bekanntes näher und sicher vieles bisher Unbekannte kennen. Und vielleicht regt der ein oder andere Abschnitt auch dazu an, sich von den kulturellen Errungenschaften selbst zu überzeugen – sei es durch eine Compaktdisc, einen Theaterbesuch, einen Kurzurlaub oder eine längere Reise, bei der sich die Schönheiten und Wahrzeichen Europas in Augenschein nehmen lassen.
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Steinz, Peter: Typisch Europa – Ein Kulturverführer in Stationen, Knaus Amsterdam, , , Euro. Dr. Annette Brunner ist Leiterin der Stadtbibliothek Eisenach Nazza. Vera Ochsenfart hat das gute Stück zur Probe in die Kulturscheune mitgebracht und trägt es freudestrahlend an die Bühne: die alte Stehlampe, eine der Requisiten der Aufführung der Nazzaer Laienspielgruppe. Wenig später wird sie in einem Sketch mit dem „Patienten“Jens Speckenbach aufgeregt die Krankenschwester mimen. Auch sie braucht wie die meisten anderen des Ensembles zum Warmwerden einen Sanddornlikör. Das gilt auch für „die Gräfin“. Grit Bätzold schneit als Letzte in die Probe. Da steckt ihr Sohn Leon (22) längst für seinen ersten Auftritt im Nachthemd. Auch Grit Bätzold nippt erst mal am Sanddorn. Sicher ist sicher.
„Wer sich vor Publikum zum Plebs macht, braucht ein Schlückchen“, sagt Susanne Heilwagen. Die Lehrerin ist sowas wie der Kopf der Gruppe, die kürzlich ihre gelungene Premiere mit einer Vorstellung für Erwachsene feierte. Die Aufführung bekannter Sketche „Örgendwas ist ümmer!“kam in Nazza so gut an, dass das Publikum Nachschlag forderte. Den gibt es nun am 7. April um 20 Uhr, und dafür wird geprobt.
Die Zeitung zur Premiere einzuladen, erzählt Susi Heilwagen, hatten sie sich noch nicht getraut. Nun ist sich die Gruppe ihrer Sache sicher. Und das zeigt sie bei der Probe mit großer Spielfreude. „In erster Linie wollen wir unseren eigenen Spaß“, sagt Heilwagen und packt gleich den Spickzettel mit den Namen derer aus, bei denen sich die Laienspielgruppe bedanken will: Ernst Klinkhardt, Dirk Friebe, Susanne Voss, Marianne Fischer, dem Heimatverein und der Gemeinde und nicht zuletzt der Druckerei Husemann, die die Plakate für lau druckte.
Die meisten der Akteure stecken bereits im Bühenoutfit, tragen Perücken, Nachthemden oder feinen Zwirn wie Hiltrud und Hartmut Wiegand. Als Otto und Emma gibt das Paar, das auch im richtigen Leben ein solches ist, den Auftaktsketch – der einzige auf Platt. Hartmut erzählt, dass er aus einer Schmiede im Dorf stammt und bis zur dritte, vierten Klasse gar nicht anders sprechen konnte als platt. Mittlerweile beherrscht er als Zweitsprache sogar Hochdeutsch. Die Nummer kommt an, auch weil sich das Paar noch anständig verhaspelt. Humor ist, wenn man‘s trotzdem macht. Und die Gruppe lacht am liebsten über sich selbst.
So eine Probe, die ist feuchtfröhlich. Zum Glück fastet Simone Mähler keinen Alkohol, sondern nur in plastikverpackte Lebensmittel. Da darf es auch Sekt sein. Gleich wird sie mit ihrer Lockenwickler-perücke und Leon, dem Jüngsten der Gruppe, ins Bett Marke Eigenbau steigen und den Sketch „Krimi“zum Besten geben. Entstanden ist das Ensemble aus der Weihnachtsmärchenaufführung für Kinder. Annegret Zöller hatte diese Märchenstunde auf dem Dorf-adventsmarkt gegeben. Daraus wurde mehr, auch weil Jens Speckenbach im „Werratal-boten“eine Anzeige als „Mitspieler“aufgegeben hatte. Nun ist der nach Nazza zugereiste mittendrin, statt nur dabei.
Die Getränke auf den eingedeckten Tischen in der Kulturscheune dürfen die Spieler nicht anfassen. Die sind für die heutige Waldbesitzerversammlung.
Die Gruppe hat eigene Reserven hinter und neben der Bühne. Beim Umbau der Kulisse packen alle an. „Wir sind unsere eigenen Kulissenschieber“, ruft es und schon geht das „Bettgeflüster“mit Grit Bätzold und Susanne Heilwagen los. Die Sketche sind zum Teil nicht ganz jugendfrei, weshalb die Aufführung das P 16-Siegel hat. Kinder in Begleitung ihrer Eltern können freilich zur Aufführung.
Die meisten der Sketche stammen von Loriot, sind also bekannt, und doch immer wieder „zum Schießen“. „Das Ei ist hart!“— immer noch. Bei der Aufführung im April werden natürlich Eier im Becher sein. Und die Kuh Elsa hat dann immer noch Pech. Leon muss bei dieser Probe den erkrankten Torsten Pittorf als „Butler“vertreten. Das gelingt ihm buchstäblich spielend. Nur mit dem Schlipsknoten hat er Probleme. Wie gut, dass Mutter Grit das für „den Kleinen“bewerkstelligen kann.
Es ist ein Vergnügen zu sehen wieviel Vergnügen der Laienspielgruppe das „ganze Theater“bereitet. Krankenschwester Vera hat die Nervosität mittlerweile abgestreift und berichtet gemeinsam mit Hartmut Wiegand, dass es im Dorf vor dem Zweiten Weltkrieg schon mal eine Theatergruppe gab. Es gibt sogar ein Foto.
Apropos Foto. Ein Gruppenfoto hätte Susanne Heilwagen am Schluss gerne. Das aber wird bei aller Spielerei von „Garderobe“oder „Koslowskis Kinder“dann glatt vergessen. Wie sich Annegret Zöller und Juliane Basilius in dem Sketch reinhauen, ringt den Kollegen Applaus ab. Vera Ochsenfart meint, dass das die beste Nummer sei. Dann nimmt Annegret ihre blonde Perücke ab. Sieh an, wie man sich doch verändern kann.
Geburtsstunde auf Nazzaer Adventsmarkt
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Mehr Fotos: www.thueringerallgemeine.de