Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Smarter Rollator soll Sturzrisiko verringern
Experten entwickeln eine Gehhilfe für Senioren, die künftig vor falscher Nutzung warnt
Bremen. Ältere Menschen haben oft große Angst hinzufallen – zu Recht. Je höher das Alter, desto höher das Sturz- und Verletzungsrisiko. Bei über 65-Jährigen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sie binnen eines Jahres mindestens einmal fallen bei etwa 30 Prozent. „Pro Lebensjahrzehnt erhöht sich die Wahrscheinlichkeit um je zehn Prozent. Das ist viel“, sagt Amit Choudhury, Chefarzt der Klinik für Geriatrie und Frührehabilitation am Klinikum Bremennord. Ein Rollator schafft oft Stabilität und Bewegungssicherheit, aber nicht immer.
Es gibt ein sogenanntes Hilfsmittel-paradoxon, auf das der 48-jährige Arzt hinweist. Das heißt: Obwohl Rollatoren als Hilfsmittel die Sturzgefahr verringern sollen, kann bei ihrer Benutzung das Sturzrisiko steigen – etwa durch falsche Haltung oder falsche Handhabung. Häufig beugt sich der Nutzer zu weit vor, wodurch der Schwerpunkt nach vorn kippt und der Mensch nicht mehr hinterherkommt. Auch ist die Distanz zum Rollator oft zu groß.
Im optimalen Fall wird die Nutzung den Senioren durch Physiotherapeuten vermittelt. Aber oft werden die Tipps vergessen. Hier setzt das Forschungsprojekt „Modest“an. Informatiker, Mediziner, Physiotherapeuten, ein Rollatorhersteller und ein Elektronikunternehmen wollen einen Rollator entwickeln, der die Ganghaltung des Nutzers per Distanzsensoren konstant analysiert und ein Feedback gibt.
„Es geht um die Sturzprävention“, so Projektleiter Serge Autexier vom Bremer Forschungsbereich Cyber-physical Systems des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Zur Analyse sollen sechs oder acht „Virtuelle Distanzsensoren“den Abstand zwischen Schultern, Becken, Oberund Unterschenkeln messen und mit softwarebasierten Algorithmen feststellen.
Der zweite Schritt heißt Interaktion. Der Rollator muss seinem Nutzer mitteilen, dass er eine Fehlhaltung einnimmt, die zu einem Sturz führen kann. „Der Rollator muss kommunizieren. Es muss einfach sein und intuitiv und es darf nicht ablenken“, so Autexier. Ein Display würde vermutlich zu viel Aufmerksamkeit brauchen. Summund Brummtöne eignen sich in lauter Umgebung oder bei Schwerhörigkeit nicht. Knifflige Fragen – das bis 2019 angelegte Projekt steht noch am Anfang.
Rollatoren sind für die Mobilität vieler Menschen unabdingbar geworden. Experten gehen davon aus, dass seit einigen Jahren jährlich etwa 550 000 Rollatoren neu verkauft werden.
Wann und ob ein Rollator notwendig ist, muss aus Sicht des Arztes Choudhury individuell entschieden werden. Hilfreich können sie bei Arthrosen in Hüft- oder Kniegelenken sein, bei Muskelinsuffizienz oder Nervenstörungen. (dpa)