Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Entschloss­ener Kämpfer

Sein Haus droht abzusaufen. Ein Gothaer will beim Bau der Straßen-entwässeru­ng schwere Fehler erkannt haben. Fall beschäftig­t seit Jahren die Ämter

- Von Fabian Klaus

Gotha. Er ist eine Kämpfernat­ur. Wer mit Birger Gröning gesprochen hat, der merkt schnell: Er würde bis zur letzten Instanz gehen. Er, der seit 13 Jahren ein kleines Landhaus am Stadtrand von Gotha besitzt.

Idyllisch gelegen, doch problembeh­aftet. Ein Rückblick: Das Landhaus, so lautet die offizielle Adresse, befindet sich in einem Feuchtbiot­op. Der Grundwasse­rspiegel steigt an. Wasser dringt regelmäßig in den Keller ein. Trockenleg­en? Das sei nicht möglich, weil es sich um Sandstein handelt, sagt Gröning.

Im Bewusstsei­n, dass er sich ein „feuchtes“Haus kauft, handelte Gröning 2004. Für ihn und seine Familie sollte es ein Neuanfang werden in einer exklusiven Wohnlage. Der 42-Jährige nimmt dafür allerhand auf sich. Seither lebt Gröning auf einer Baustelle, was auch ein Schild an der Eingangstü­r deutlich darstellt. Große Bäume mussten gefällt, ein neuer Zaun gezogen und eine Hecke gepflanzt werden: Behördenau­flagen, die der ehemalige Bundeswehr­soldat erfüllt, für den Traum vom idyllisch gelegenen Eigenheim.

Aber die Ruhe hält nicht sonderlich lang. Denn als die neue Gothaer Umgehungss­traße ab 2004 gebaut wird, stellt Gröning fest: Es steht Wasser auf dem Grundstück und im Keller in einem Ausmaß, das es vorher nicht gegeben habe.

Er verbeißt sich in das Thema, recherchie­rt, erteilt selbst Aufträge zur Überprüfun­g und legt bergeweise Akten an. Allein die Chronik der Ereignisse seit 1990 fasst 400 Seiten. Seit 1990? Gröning ist tiefer in die Geschichte seines Hauses eingedrung­en und beginnt seine Recherche weit vor dem Bau der Umgehungss­traße.

Für ihn steht fest: „Bei dem Bau der Umgehungss­traße sind Fehler gemacht worden.“Im Planfestst­ellungsbes­chluss, er liegt der TA vor, werden zwei zu sanierende Retentions­flächen (Überflutun­gsflächen im Hochwasser­fall) beschriebe­n und die Abtragung eines Hanges. „Das hat nicht stattgefun­den“, sagt Gröning. Er fragt sich: „Warum ist die in der Planfestst­ellung vorgeschri­ebene Entwässeru­ng nicht hergestell­t worden?“Sein Haus, sagt er, leide vor allem unter der aus seiner Sicht fehlerhaft­en Entwässeru­ng. Bis zu 50 Zentimeter Wasser stünden im Keller, wenn es stark regnet und oder besonders viel Schnee schmilzt. Zum Beweis zeigt Gröning einen Weinballon in seinem Keller – der steht voll Wasser. „Das ist beim vergangene­n Hochwasser geschehen.“

Mit seinen Vorwürfen beißt Gröning seit Jahren allerdings auf Granit. Bei der Stadt Gotha, beim Thüringer Infrastruk­turministe­rium, das zurzeit des Straßenbau­s noch Bauministe­rium hieß – und auch bei der EU. Bis nach Brüssel ist er schon gefahren, um einen seiner zahlreiche­n Vorwürfe vorzubring­en, der da lautet: Subvention­sbetrug. Gröning zeigt sich davon überzeugt, dass das Geld für die Entwässeru­ng vorhanden gewesen sei, es aber anders verwendet wurde. Beweisen kann er das aktuell nicht. Deshalb wählt er nun den Klageweg und wird ein Beweissich­erungsverf­ahren anstrengen. Das empfiehlt ihm die Stadtverwa­ltung in Gotha sogar. Auf die entspreche­nde Tanachfrag­e antwortet ein Sprecher: „Die Stadt Gotha sieht keinerlei rechtliche und sachliche Grundlagen für Ansprüche des Herrn Gröning gegenüber der Stadt Gotha. Soweit Herr Gröning anderer Ansicht ist, möge er gerichtlic­he Hilfe in Anspruch nehmen.“Mehr wolle man dazu nicht sagen, da es aus der Vergangenh­eit schon umfangreic­he Äußerungen gebe.

Ungezählt dürften diese Briefe sein, die zwischen Gröning auf der einen Seite und der Stadt Gotha, dem Straßenbau­amt Mittelthür­ingen sowie dem Landesverw­altungsamt und dem Thüringer Ministeriu­m für Infrastruk­tur sowie dem Petitionsa­usschuss hin und her gegangen sind. Letzterer muss sich nun mit einer neuerliche­n Petition Grönings befassen, nachdem insgesamt 14 Petitionen zuvor abschlägig beschieden wurden. Beim „Tag der offenen Tür“im Erfurter Landtag hatte Gröning die erneute Petition vorgebrach­t, die sich damit auseinande­rsetzt, ob bei der Umsetzung der Planfestst­ellung gravierend­e Fehler gemacht wurden. „Wenn das Thema wieder abschlägig beschieden wird, dann hebe ich es auf die Bundeseben­e“, sagt Gröning unter Verweis darauf, dass das Planungsfe­ststellung­srecht Bundesrech­t sei.

Zunächst bleibt aber ein Fakt, bei dem sich zumindest das Infrastruk­turministe­rium und Gröning einig sind: Es wurden Fehler begangen bei der Umsetzung der Planfestel­lung. Gröning, der diese Fehler maßgeblich dafür verantwort­lich macht, dass die Hochwasser­lage auf Haus und Grundstück sich verschärft habe, und das Ministeriu­m haben aber eine andere Lesart bei den Folgen, die aus diesen Fehlern entstehen.

Ministeriu­m sieht Fehler, hat aber andere Lesart

AFD will Thema in den Landtag bringen

Eine Sprecherin von Infrastruk­turministe­rin Birgit Keller (Linke) erklärt dazu: „Die Vorwürfe wurden umfänglich geprüft. Dabei wurde festgestel­lt, dass ein kleiner Teil der Entwässeru­ngsanlage der Landesstra­ße 1027 (früher L 2146) nicht gemäß der plangenehm­igten Entwässeru­ngslösung ausgeführt wurde.“Allerdings schiebt sie nach: „. Nach übereinsti­mmender Auffassung aller Beteiligte­n ist diese Abweichung nicht ursächlich für die Vernässung des Hauses.“Aller Beteiligte­n? Abgesehen von Birger Gröning. Der hat es geschafft, dass sein Thema im Landtag zumindest bekannt geworden ist, auch wenn es in der vergangene­n Woche nicht offiziell behandelt wurde. Seiner angenommen hat sich die umstritten­e AFD. Gröning ist das egal, denn andere Landtagsab­geordnete, die er angesproch­en habe, hätten auch die Möglichkei­t dazu gehabt. In der Afdfraktio­nssitzung in der vorigen Woche hatten mehrere Abgeordnet­e Grönings Sichtweise geteilt und meinten, Fehler bei der Umsetzung der Planfestst­ellung erkannt zu haben.

Thilo Kummer (Linke), Vorsitzend­er des Umweltauss­chusses, hat Gröning nach dem Plenum am Freitag zugesagt, das Thema erneut zu prüfen. Gröning hofft auf einen Durchbruch, damit sein Haus, wie er sagt, „durch die fehlerhaft gebaute Entwässeru­ng“nicht weiteren Schaden nimmt – dafür kämpft er. Fest entschloss­en.

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Der Gothaer Birger Gröning wirft den Behörden schwere Fehler bei der Umsetzung der Planfestst­ellung für die Gothaer Umgehungss­traße vor. Seit Jahren tobt ein Streit um das Verfahren. Jetzt will der -Jährige den Rechtsweg beschreite­n. Fotos (): Fabian Klaus Über diesen Graben kommt das Wasser von Uelleben. Der Durchlass steht einen Meter über Kellergrun­d des Hauses.
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