Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Vogels Trainer übt nach Abschied harte Kritik an Sportförderung
Zühlke nennt Leistungssportreform falschen Schritt. Olympiastützpunkt und Rad-verband suchen Nachfolger
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Thüringer zieht im Herbst nach Peking um
TCSPB
Erfurt. Die erste Enttäuschung in der Thüringer Radsport-welt ist verdaut, nun suchen Olympiastützpunkt, der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) und der Landesverband gemeinsamen einen Nachfolger für Tim Zühlke. Der Trainer von Bahnradolympiasiegerin Kristina Vogel, Europameisterin Pauline Grabosch und zahlreicher Talente beim Sprintteam Thüringen hinterlässt nach seinem angekündigten Wechsel nach China eine Lücke. „Wir haben dem BDR schon Vorschläge unterbreitet, um einen geeigneten Nachfolger zu finden und auch die Athleten bei dieser Suche mit einbezogen“, sagte Bernd Neudert, der Leiter des Olympiastützpunktes Thüringen.
Dabei drängt die Zeit. Nach eigenen Aussagen steht Zühlke noch bis Mitte September zur Verfügung. Vom 19. bis 22. Oktober bestreitet Weltklassesprinterin Kristina Vogel bei der Heim-europameisterschaft in Berlin bereits den nächsten Höhepunkt. Der 39 Jahre alte Trainer, der im September 2010 seine Arbeit in Erfurt aufgenommen hatte, verbindet seinen Abschied aus Europa mit Kritik an der Sportförderung hierzulande. „Ich habe mich in Deutschland nicht mehr wohlgefühlt. Die Strukturen im Sport sind aus meiner Sicht nicht dazu geeignet, um den Hochleistungssport langfristig positiv zu entwickeln“, sagte Zühlke im Gespräch mit dieser Zeitung.
Der Erfurter Trainer sieht auch in der gerade auf den Weg gebrachten Leistungssportreform des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) kein geeignetes Mittel, um im Duell mit den großen Nationen wie den USA, Großbritannien oder China auf lange Sicht mitzuhalten. „Die Leistungssportreform ist ein Schritt in die falsche Richtung“, sagte Zühlke. In China wird der Thüringer im Herbst als Nationaltrainer der Sprinter antreten und dort die Männer und Frauen betreuen.
Auch eben jene fehlenden Perspektiven in Deutschland haben ihn womöglich zu seinem Schritt bewogen. Als zum Beispiel vier seiner Athleten im Sommer bei der Europameisterschaft in Portugal am Start waren und dort drei Medaillen holten, fehlte Zühlke im deutschen Trainerstab und verfolgte die Rennen von zu Hause. Aber auch die Strukturen in Thüringen waren ihm offenbar ein Dorn im Auge. Man sei zu weit weg von der Basis und habe es zum Beispiel versäumt, neue Sponsoren zu gewinnen, betonte Zühlke. Uwe Jahn, Präsident des Thüringer Radsport-verbandes (TRV), zeigte Verständnis für den Ärger von Zühlke. „Tim ist ein sehr ehrgeiziger Trainer und deshalb ja erfolgreich. Ich kann Tim in gewisser Weise verstehen. Aber klar ist eben auch, dass wir im Präsidium ehrenamtlich arbeiten und allein aus diesem Grund nicht immer allen hohen Ansprüchen gerecht werden können“, sagte Jahn. Zühlke ist der Wechsel nach China nicht leicht gefallen. „Ich habe mir das genau überlegt und werde komplett nach Peking ziehen. Der Kontakt nach Thüringen wird aber nicht abreißen, zumal ja auch meine Familie hier bleibt“, sagte der Trainer.
In der kommenden Woche wollen Olympiastützpunkt und Bund Deutscher Radfahrer (BDR) in Thüringen beraten, wie die Trainerstelle am besten besetzt werden kann. Dass hinter Olympiasiegerin Vogel hoffnungsvoller Nachwuchs im Sattel sitzt, zeigt gut die kommende Woche. Bei der Bahnrad-wm der Junioren in Montichiari (Italien) gehen sechs Thüringer und damit so viele wie seit mehreren Jahren nicht mehr an den Start.