Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Großer Shitstorm, komme!
Frank Quilitzsch wundert sich, was alles so in den Duden kommt
Das Selfie ist jetzt auch drin. Natürlich mit Stiel. Äh, Stick meine ich natürlich. Sie wissen schon: Selfiestick, diese alberne Armverlängerung mit Auslöser. Voll geil! Und weil die Duden-redaktion unlängst von Mannheim nach Berlin umgezogen ist, hat sie gleich noch das knorkige „Icke“mit aufgenommen in den heiligen Gral der deutschen Sprache. Ein „Späti“, würde ich sagen (berlinernde Kurzform für Spätkauf).
Die 27. Auflage des Dudens enthält jetzt 145 000 Stichwörter . Der Ur-duden von 1880 hatte nur 27 000. Da hat sich also mit den Jahren so einiges in unseren schönen Wortschatz eingeschlichen. Zuletzt kamen – für die aktuelle Ausgabe – noch mal 5000 dazu. Schöne deutsche Wörter wie: Brexit, pixelig, Tablet und Social Bot (ein Computerprogramm, das wie ein Mitglied eines sozialen Netzwerks agiert), ferner: Undercut, Worklife-balance, Low Carb, Hoodie und Jumpsuit.
Wie? Nix verstehen? Dann sind Sie vermutlich ein Honk. Früher hätten wir Dummkopf, Trottel oder Vollidiot gesagt. Geht aber nicht mehr im Zeitalter von Facebook, Instagram und Snapchat. Die denken doch, du kommst vom anderen Stern. Schreibschriftspastiker oder so was. Die verstehen dich gar nicht mehr.
Was ich nicht verstehe: Warum bürgern die hoch bezahlten Sprachpanscher immer mehr ausländische Substantive bei uns ein, um sie dann auch noch als schwache Verben zu beugen und zu schänden? Facebook als englischer Ausdruck für ein sogenanntes soziales Netzwerk behält ja als Fremdwort noch seinen Sinn. Aber facebooken, instagramen oder snapchatten als Synonyme für Rumklappern und Rumklicken auf der Tastatur? Da schnappt einem doch der Klapprechner zu.
Oder nehmen wir like. Nein, nicht das englische von I like you, sondern unser neudeutsches Like. Das steht für gefällt mir oder Daumen hoch und ist eine Maßeinheit für Eitelkeit und Konformismus. Je mehr Likes ich von anderen bekomme, desto präsenter bin ich. Und wenn ich selbst keine Likes bekomme, kann ich wenigstens welche vergeben. Bin also nicht ganz unwichtig, sondern dabei, wenn der Hype oder der große Schwachsinn um sich greift. Also, los: Ich like, du likst, er/sie/es likt, wir liken, ihr likt. . .
Liebe Duden-redakteure, Ihr habt fleißig Wörter gesammelt und aufgeschnappt, aber zu wenig nachgedacht. Ist denn die Häufigkeit der Nutzung und das Vorkommen in vielen Textsorten das einzige Kriterium für die Aufnahme eines Wortes in den Duden? Dann können wir doch künftig gleich so schreiben, wie wir simsen – ohne Regeln, ohne Punkt und Komma und vor allem: ohne Stil.
Gut, dass Ihr auch den Shitstorm aufgenommen habt.
Großer Scheißsturm, komme!