Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Wer Skandale macht
Martin Debes über nötige und unnötige Skandale
Die Griechen erfanden das Wort skandalon. Es bezeichnet einen Vorgang, der Anstoß erregt, ein Ärgernis darstellt.
Das heißt, ein Skandal existiert nicht für sich allein. Er entsteht erst, wenn etwas von anderen als skandalös erachtet wird. Er wird gemacht.
Ob nun Watergate in den USA, die Flick-affäre in der alten Bundesrepublik, die Enthüllungen der geheimen Geschäfte von Stasi und SED am Ende der DDR: In der Demokratie haben Skandale durchaus eine wichtige, reinigende Funktion.
Aber es gibt Skandale, an deren Ende sich selbst Beteiligte kaum mehr erinnern können, was der Anlass war. Sie werden zu dem, was im Englischen als self feeding frenzy bezeichnet wird, eine sich selbst fütternde Raserei. Politische Konkurrenz und medialer Wettbewerb bedienen einen brutalen öffentlichen Voyeurismus. Berechtigte Kritik verkommt zur Kampagne, wie der Sturz des Christian Wulff eindrücklich zeigte.
Auch in Thüringen gab es Skandale. Davon berichtet die Serie, die heute beginnt. Die meisten hätten keine werden müssen, hätten die Betroffenen gleich zu Beginn die Vorwürfe eingeräumt, Selbstkritik geübt und Besserung gelobt.
Doch so sind die Menschen nicht. Der Thüringer Justizminister zum Beispiel: Er teilt geheime Informationen, beantwortet Presseanfragen dazu nicht und gibt erst eine Erklärung heraus, als schon die Ermittlungen gegen ihn laufen.
Wie vor zwei Jahren, als es um die Prüfungsbefreiung seines Sohnes ging, ist er dabei, aus fragwürdigen, unbedachten Entscheidungen einen Skandal zu machen. Ganz allein.