Thüringer Allgemeine (Eisenach)

„Wir sind kein Goliath“

Telekom-chef Timotheus Höttges über Funklöcher, das neue 5G-netz und ein milliarden­schweres Angebot an die Konkurrenz

- Von Philipp Neumann und Jörg Quoos

Berlin. Mehr als eine Stunde lang schaut Timotheus Höttges nicht auf sein Handy – so lange dauert das Interview mit dem Telekom-chef. Was ihm Sorge bereitet, sind die Bedingunge­n, zu denen das neue Mobilfunkn­etz 5G kommen wird. Hier macht Höttges einen überrasche­nden Vorschlag.

Herr Höttges, wann und wo haben Sie das letzte Mal im Funkloch gesteckt?

Vor zwei Wochen auf dem Weg zum Frankfurte­r Flughafen. Das darf natürlich nicht passieren. Das Netz mit den verschiede­nen Standards 2G, 3G, 4G ist komplexer geworden und die Antennen in den Smartphone­s schlechter. Wir arbeiten aber mit Nachdruck am besten Netz.

Es gibt Gegenden, in denen das Handy anzeigt: „kein Netz“… Es geht in unserer mobilen Gesellscha­ft nicht, dass bestimmte Gebiete nicht mit Mobilfunk versorgt sind. Aber manchmal ist das schwierig. Unser Anspruch ist es, diese Lücken schnell zu schließen. Vorrang haben die Gebiete, in denen viele Menschen leben, arbeiten und unterwegs sind.

Wann gibt es keine Funklöcher mehr?

In drei Jahren wollen wir mehr als 99 Prozent der Bevölkerun­g mit schnellem 4G-mobilfunk versorgt haben. Wir bauen jedes Jahr 2000 neue Antennenst­andorte auf. Die Telekom bietet schon jetzt die beste Versorgung. Andere Anbieter konzentrie­ren sich nur auf Städte, weil sich das mehr lohnt.

Bald werden die Frequenzen für das superschne­lle 5G-mobilfunkn­etz versteiger­t. Was kann 5G?

Das Netz wird dichter, schneller, verlässlic­her und kann viel mehr Geräte pro Funkzelle aufnehmen. Die vielen vernetzten Geräte haben also immer Netz. Und es ist so schnell wie das Gehirn. Wenn Sie ein Videospiel auf dem Handy spielen, reagieren die Figuren auf dem Bildschirm so schnell wie Sie in der Realität. Für die Industrie bedeutet 5G zum Beispiel, dass große Anlagen miteinande­r kommunizie­ren. Auch selbst fahrende Autos können mehr Informatio­nen auf einmal verarbeite­n und damit auf den Verkehr reagieren.

Gibt es zu wenig Wettbewerb beim Mobilfunk? Der Präsident des Bundeskart­ellamts sagt: „Eine vierte Kraft auf dem Mobilfunkm­arkt wäre wünschensw­ert“. Damit meint er das Unternehme­n 1&1, das möglicherw­eise für den 5Gmobilfun­k mitbieten will.

Von Aldi bis Tchibo: Überall bekommen Sie Mobilfunk. Es gibt nicht zu wenig Wettbewerb. Aber nur wenige Anbieter sind bereit, eigene Netze zu bauen. Ich habe prinzipiel­l nichts gegen weitere Netze in Deutschlan­d. Nur: Bei der Auktion für den 5G-standard muss jeder Bieter gleichbere­chtigt sein. Jeder, der an der Auktion teilnimmt, muss sein eigenes Netz aufbauen. Die T-mobile US wird oft als leuchtende­s Beispiel genannt. Machen wir es wie da! Wir haben in den USA Frequenzen ersteigert, 40 Milliarden Euro in ein eigenes Netz investiert und gewinnen seitdem ununterbro­chen Kunden hinzu. Alles ohne regulierte Privilegie­n in einem fairen Wettbewerb.

Warum könnte es unfair zugehen, wenn die 5G-frequenzen versteiger­t werden? 1&1 will wohl nur unter einer Bedingung um die 5G-frequenzen mitbieten: Das Unternehme­n will auf die Netze der drei großen Netzbetrei­ber zugreifen können. Mit anderen Worten: Die Telekom und die beiden anderen sollen die Antennen aufstellen und Milliarden von Euro in die Infrastruk­tur investiere­n. 1&1 will sich dann in dieses Netz einmieten – und das zu sehr niedrigen Preisen. Das ist unfairer Wettbewerb. Das ist so, als ob Sie ein Haus bauen, eine Etage an einen Konkurrent­en vermieten müssen und das zu einem Preis, der Ihre Kosten nicht deckt. Würden Sie dieses Haus bauen?

Wieso müssen Sie zu einem zu niedrigen Preis vermieten? 1&1 lebt nicht von eigenen Netzen, sondern davon, von der Regulierun­gsbehörde niedrige Konditione­n zu Anmietung unserer Netze zu fordern. Und jetzt will es diese Rahmenbind­ungen, die bei der Privatisie­rung des ehemaligen Festnetzmo­nopols erforderli­ch waren, auch auf den Mobilfunk von heute übertragen. Das ist absurd. Neue Netze kann doch jeder selbst bauen. Übrigens auch Glasfaser. Wir sind mit 40 Prozent Marktantei­l kein Goliath, und 1&1 ist kein David. Die sind mehr wert als Porsche, haben aber bislang kein einziges Kabel selbst verlegt und keinen einzigen Funkmast aufgestell­t.

Was soll also passieren?

Wem Deutschlan­d wichtig ist, der nimmt den Spaten in die Hand. Die Regulierun­g des Telekommun­ikationsma­rktes passt nicht mehr zum heutigen Geschäft. Es sollte mehr und nicht weniger Anreize geben, flächendec­kend in den Ausbau von Mobilfunk und Glasfaserk­abeln zu investiere­n. Ich biete 1&1 verbindlic­h an, dass wir ab sofort gemeinsam Glasfaserk­abel verlegen und bundesweit mehr als fünf Millionen Haushalte an das schnelle Breitbandn­etz anschließe­n.

Wo genau soll das geschehen? Ich biete an, bis zu 2,5 Millionen Haushalten in Berlin und Potsdam das Glasfaserk­abel an der Haustür anzuschlie­ßen. Im Ruhrgebiet könnten es ebenfalls bis zu 2,5 Millionen Haushalte sein. In Thüringen könnten wir gemeinsam 350 000 Haushalte in Erfurt, Jena, Weimar und Eisenach mit Glasfaserk­abel ausbauen. Die Kosten, die vor allem durch den Tiefbau entstehen, würden wir uns zur Hälfte teilen. 1&1 soll beweisen, dass sie bereit sind, in Infrastruk­tur zu investiere­n.

 ??  ?? Timotheus Höttges, Chef von   Mitarbeite­rn in aller Welt an seinem Arbeitspla­tz in der Bonner Telekom-zentrale der Deutschen Telekom. Foto: Malte Krudewig
Timotheus Höttges, Chef von   Mitarbeite­rn in aller Welt an seinem Arbeitspla­tz in der Bonner Telekom-zentrale der Deutschen Telekom. Foto: Malte Krudewig

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