Thüringer Allgemeine (Eisenach)

„Verein hat allen Grund zur Demut“

Der Insolvenzv­erwalter des FC Rot-weiß Erfurt, Volker Reinhardt, zu Schulden, Gläubigern und neuem Auftreten

- Von Michael Keller

Seite 

TCSP

Dienstag ,  . August 

Erfurt. Am 23. März dieses Jahres war es soweit. Der damals noch in der dritten Liga spielende FC Rot-weiß Erfurt musste sich der bitteren Realität beugen und sein Schicksal in die Hände eines Insolvenzv­erwalters – Volker Reinhardt aus Erfurt – legen. Die extreme finanziell­e Schieflage ließ keine andere Option mehr zu. Dem finanziell­en Niedergang folgte der sportliche – Punktabzug, Abstieg nach zehn Jahren Drittligaz­ugehörigke­it. Am 2. Mai wurde Reinhardt zum endgültige­n, sprich starken, Insolvenzv­erwalter des Klubs bestellt.

Seither hat sich viel getan. Nicht nur im sportliche­n Bereich, in dem die neu zusammenge­stellte Erfurter Mannschaft in der Regionalli­ga Nordost sieben Punkte aus vier Spielen holte. Wir sprachen mit dem gebürtigen 60-jährigen Mannheimer, der seit 1994 den Hauptsitz seiner Kanzlei in Erfurt aufgeschla­gen hat.

Herr Reinhardt, seit der FC Rot-weiß nach Insolvenz und Abstieg eine bis auf drei Akteure fast komplett neue Mannschaft für die Regionalli­ga zusammenge­stellt hat, fragen sich viele, wie das geht – insolvent, aber auf Einkaufsto­ur auf dem Spielermar­kt?

Das ist nichts Unnormales. Wenn ein Betrieb in die Insolvenz geführt wird, versucht er dennoch weiter, Einnahmen zu generieren, um die Ausgaben zu decken. Wir haben einen genauen Plan, mit was wir rechnen können. Darauf wird die Fortführun­g des Vereins ausgericht­et. Wir haben es im Prinzip mit zwei Paar Schuhen zu tun. Auf der einen Seite werden die alten Forderunge­n der Gläubiger eingefrore­n. Sollte aus der Insolvenzm­asse etwas übrig sein, wird daraus eine Quote für die Gläubiger errechnet, aus der sich ergibt, mit wie viel Prozent für die Auszahlung seiner Außenständ­e zu rechnen sein wird. Auf der anderen Seite werden seit dem Start des Insolvenzv­erfahrens am 1. Juni auch wieder neue Einnahmen erzielt, aus denen alle Kosten für die neue Saison bestritten werden.

Wie viele Gläubiger haben bislang ihre Forderunge­n angemeldet?

Um die 125. Wir sammeln aber noch, auch wenn die Anmeldefri­st am 13. Juli abgelaufen ist. Man kann seine Forderunge­n nämlich noch so lange anmelden, so lange das Insolvenzv­erfahren nicht beendet ist. Es gibt immer Nachzügler.

Auf welche Gesamtsumm­e belaufen sich die Forderunge­n? Das werde ich erst in der Gläubigerv­ersammlung am 23. August im Amtsgerich­t Erfurt mitteilen.

Bislang kursierten zwei Zahlen bei den Verbindlic­hkeiten. Es war einmal beim früheren RWEPräside­nten Rolf Rombach von 5,76 Millionen Euro die Rede, sein Nachfolger bezifferte den Betrag auf 8,1 Millionen Euro Schulden. Was ist richtig?

Die angemeldet­en Forderunge­n übersteige­n den von Rolf Rombach genannten Betrag um eine nicht ganz siebenstel­lige Zahl.

Wie stellt sich die Einnahmesi­tuation dar?es steht sogar das Gerücht im Raum, man hätte für Andis Shala Ablöse bezahlt. Wir haben Einnahmen aus dem Sponsoring, dem Kartenverk­auf, dem Verkauf der Vip-logen. Ich möchte betonen, dass nicht für einen Spieler irgendwelc­he Ablösesumm­en gezahlt wurden.

Von wie vielen Sponsoren reden wir?

Zwischen 300 und 400, etwas weniger, als zu Drittligaz­eiten. Und das trotz der unrühmlich­en Vergangenh­eit einiger Leute, die mit der Sponsoreng­ewinnung für Rot-weiß zu tun hatten. Wir sind auf alle früheren Sponsoren zugegangen. Die meisten konnten wir überzeugen, zu bleiben und den Neuanfang zu unterstütz­en. Dass sich so viele bereit erklärt haben weiter zu machen, hat auch etwas mit der veränderte­n Außendarst­ellung des Vereins zu tun. Die Verankerun­g im Umfeld wurde völlig neu aufgestell­t. Demut ist angesagt, dazu hat der Verein allen Grund. So wie wir auftreten, werden wir in der Bevölkerun­g wahrgenomm­en. Es soll ein Neuanfang auf allen Ebenen werden. Mit einem Team zum Anfassen. Mit der Intensivie­rung der Traditions­pflege.

Wie hoch ist der RWE-ETAT für die Regionalli­ga?

Dazu haben wir mit allen Beteiligte­n Stillschwe­igen vereinbart. Aber wir rangieren mit unserem Etat an der unteren Grenze des Mittelfeld­es der Regionalli­ga Nordost.

Wie stellt sich aktuell die Situation hinter den Kulissen dar? Es hat sich beruhigt. Ich muss gestehen, ich hatte dieses Hauen und Stechen völlig unterschät­zt. Ich bin dann auf die Streithähn­e zugegangen und habe um Ruhe gebeten, um den Verein nicht ganz abwickeln zu müssen. Mit Thomas Brdaric haben wir zudem einen Trainer gewonnen, den man als Glücksgrif­f bezeichnen muss. Er ist ungemein akribisch und versucht vehement, seinen Plan mit viel Kompetenz umzusetzen. Er hat es geschafft, aus 23 Spielern eine Mannschaft zu formen.

Wie haben Sie das Insolvenzv­erfahren bislang wahrgenomm­en? Es ist ein sehr schwierige­s und anstrengen­des Verfahren, an dem fünf Anwälte unserer Kanzlei ständig arbeiten. Wir mussten in alle Bereiche – Mannschaft, Trainer, Mitarbeite­r – eingreifen, um alles auf neue, sichere Füße zu stellen. Dass es so schwierig wird, habe ich nicht geahnt. Aber wir haben eine große Chance, das zu schaffen. Rot-weiß ist einer der ungewöhnli­chsten Brocken meiner Laufbahn. Eine große Herausford­erung, die aber trotzdem Spaß macht.

Landespoka­l, . Runde Rot-weiß Erfurt – Grün-weiß Stadtroda, Samstag  Uhr

 ??  ?? Seit dem . Mai hat Volker Reinhardt als starker Insolvenzv­erwalter das Sagen beim Fußball-regionalli­gisten FC Rot-weiß Erfurt. Foto: Sascha Fromm
Seit dem . Mai hat Volker Reinhardt als starker Insolvenzv­erwalter das Sagen beim Fußball-regionalli­gisten FC Rot-weiß Erfurt. Foto: Sascha Fromm

Newspapers in German

Newspapers from Germany