Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Für Rekordspri­nter Reus ist die Saison beendet

Erfurter Leichtathl­et muss nach seinem Sturz im Staffel-vorlauf der EM von Berlin an der Schulter operiert werden

- Von Axel Lukacsek

Erfurt. Julian Reus (30) blickte am Tag danach bereits nach vorn. „Wir werden wieder aufstehen“, sagte der Sprinter vom Top Team des Erfurter LAC, der mit seinen Staffelkol­legen nur wenige Stunden zuvor im Berliner Olympiasta­dion von einer auf die andere Sekunde jäh aus allen Medaillent­räumen gerissen worden war. Als im Vorlauf über die 4x100 Meter beim letzten Wechsel der Schlussläu­fer Lucas Jakubczyk (Berlin) strauchelt­e und stürzte, riss er auch den Erfurter zu Boden.

Reus wurde direkt vom Stadion aus mit einem Krankenwag­en zur Untersuchu­ng in eine Berliner Klinik gebracht, wo eine Schulterec­kgelenkspr­engung festgestel­lt wurde. Damit wird der deutsche 100-m-rekordhalt­er in diesem Jahr keinen Wettkampf mehr bestreiten können. „Ich hatte in dieser Freiluftsa­ison ohnehin keinen Start mehr geplant. Aber dass das Jahr mit solch einen großem Knall zu Ende geht, ist sehr bitter“, sagte Reus, der gestern am Erfurter Helios-klinikum noch einmal untersucht wurde und sich nun einer Operation unterziehe­n muss.

Dabei lief es für die Staffel zunächst richtig gut. Em-debütant Kevin Kranz (Sprintteam Wetzlar) hatte das Quartett im Vorlauf in Schwung gebracht. Patrick Domogala von der MTG Mannheim übernahm auf der Gegengerad­e die Führung, bevor das Unglück seinen Lauf nahm. Jakubczyk hatte den Staffelsta­b von Reus schon sicher in der Hand, als er aufgrund von Muskelprob­lemen ohne Fremdeinwi­rkung stürzte und sich eine Platzwunde am Kopf sowie zahlreich Schürfwund­en zuzog. „Ich hatte bestimmt 36 km/h drauf. Ich habe noch versucht, nicht auf Lucas zu stürzen, um ihn nicht noch schwerer zu verletzen“, sagte Reus.

Während der Erfurter mit dem Krankenwag­en zur Untersuchu­ng gefahren wurde, humpelte Jakubczyk – übersät mit weißen Mullbinden einer Mumie ähnlich und mit einem vom Blut getränkten Verband auf dem Kopf wie ein Turban – unter dem Applaus der Zuschauer aus dem Stadion. „Solch einen Sturz habe ich in meiner Laufbahn noch nie erlebt. Zum Glück haben wir uns nicht noch schlimmer verletzt“, sagte Reus, während später Großbritan­nien in 37,80 Sekunden den Titel holte.

Noch am späten Abend fuhr der Erfurter Sprinter mit seiner Familie nach Hause. Für ihn war eine Saison mit vielen Tiefschläg­en auf bittere Weise zu Ende gegangen. „Irgendwie passt dieser Sturz zum Jahr“, sagte der Sportsolda­t, der im Frühjahr aufgrund einer schmerzhaf­ten Stressreak­tion der Knochenhau­t am Schienbein sowie Problemen am Oberschenk­el nur eingeschrä­nkt trainieren konnte.

Beim Meeting in Weinheim kam er auf eine Saisonbest­zeit von 10,15 Sekunden. Sein deutscher Rekord – 10,01 Sekunden, aufgestell­t im Juli 2016 in Mannheim – blieb angesichts der Verletzung­en von ihm unerreicht. Und dann platzten in Berlin auch alle Staffel-träume.

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