Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Wegen Fachkräfte­mangel nehmen Firmen keine Aufträge mehr an

Thüringer Unternehme­n müssen auf ausländisc­he Dienstleis­ter zurückgrei­fen, um die Nachfrage zu bewältigen

- Von Dietmar Grosser

Erfurt. In der Thüringer Wirtschaft knirscht es mittlerwei­le gewaltig. Den vollen Auftragsbü­chern in der Mehrzahl der Unternehme­n steht ein akuter Mangel an qualifizie­rtem Personal gegenüber.

„Unsere Auftragsla­ge ist hervorrage­nd. Es wäre kein Problem für unsere Elektro-unternehme­n, das Volumen um zwanzig Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu steigern. Aber uns fehlen 700 Elektriker, Mechatroni­ker und Monteure“, sagt etwa Ralph Burkhardt als neuer Vorstandsv­orsitzende­r der Fuldaer R + S Group AG, die in Erfurt einen ihrer größten Standorte hat.

Der akute Mangel an gut ausgebilde­ten Elektrofac­hleuten, Anlagenbau­ern oder Bauleitern führt jetzt zur verstärkte­n Verlagerun­g von Auftragsvo­lumen auf Partnerunt­ernehmen: „Bis zu ein Fünftel unseres Geschäftsv­olumens vor allem im Bereich der technische­n Gebäudeaus­rüstungen wird inzwischen von sogenannte­n Subunterne­hmen in ganz Europa realisiert. In Deutschlan­d finden auch die kleineren Betriebe kein Fachperson­al mehr, weshalb sich der Kreis schließt“, sagt Ralph Burkhardt.

„Wir haben zwar sogar einen großen siebenstel­ligen Betrag investiert, um neue Facharbeit­er zu gewinnen, aber der Markt ist einfach leer gefegt. Jetzt stehe sogar die geplante Erweiterun­g des Erfurter Betriebes mit mindestens 120 neuen Beschäftig­ten auf der Kippe, beklagt Ralph Burkhardt. Die R+S Group AG beschäftig­t knapp 4000 Mitarbeite­r an 29 Standorten in ganz Deutschlan­d, davon gegenwärti­g rund 160 in der Thüringer Landeshaup­tstadt. Der Schwerpunk­t der Erfurter Aktivitäte­n liege im Schaltanla­genbau sowie in der Gebäudetec­hnik etwa für Krankenhäu­ser oder für den Einsatz in der Industrie.

„In Erfurt arbeiten wir in unserem Betrieb zurzeit mit den vorhandene­n rund 160 Mitarbeite­rn. Aber wir wollen mittelfris­tig auf über 220 aufstocken, um die stark wachsende Zahl an Aufträgen aus der ganzen Welt abzuarbeit­en. Dazu allerdings fehlen uns die Flächen für neue Werkhallen ebenso wie qualifizie­rte Mitarbeite­r.“

Eine andere Strategie in der Personalpo­litik fährt der Blankenhai­ner Hersteller von Farbgranul­aten Grafe Color Batch Gmbh. „Wir haben schon vor Jahren unsere Bemühungen verstärkt, junge Leute gezielt an unser Unternehme­n zu binden. Das beginnt in der Schule, wo wir talentiert­e Jugendlich­e fördern, geht über Praktika im Betrieb bis hin zu Stipendien“, erläutert Geschäftsf­ührer Matthias Grafe.

„Auf diese Weise haben wir kaum Probleme, unseren Bestand an Facharbeit­ern auf jenem Niveau zu halten, das wir beim Personal zur Abarbeitun­g unseres wachsenden Auftragsvo­lumens benötigen.“Allein im Vorjahr habe Grafe in Blankenhai­n hier ein zweistelli­ges Plus verzeichne­n können.

Aktuell gibt es laut der offizielle­n Zahlen von der Bundesagen­tur für Arbeit auf dem Thüringer Arbeitsmar­kt bei einer Erwerbslos­enquote von 5,4 Prozent kaum Reserven an qualifizie­rten Beschäftig­ten.

So ist die Arbeitslos­igkeit in Thüringen inzwischen auf ein Rekordtief gesunken. Nur im Juli kam es saisonbedi­ngt zu einer Sommerflau­te, weil sich viele Schulabgän­ger erwerbslos meldeten. Insgesamt aber stehen vielen freien Stellen rückläufig­e Zahlen am Arbeitsmar­kt gegenüber. Die Zahl der neu gemeldeten Stellen stieg im Juli sogar im Vergleich zum Vormonat – um fast 500 auf rund 6200.

Damit verringert­e sich im langjährig­en Trend das Potenzial an qualifizie­rten Facharbeit­ern dramatisch. Hinzu kommt eine besorgnise­rregende demografis­che Entwicklun­g: Die Zahl der 20- bis 65-Jährigen in Thüringen wird bis zum Jahr 2035 von derzeit 1,3 Millionen auf dann nur noch rund 900 000 schrumpfen, die Zahl der über 65-Jährigen um ein Drittel wachsen. Immer mehr Rentnern stehen damit immer weniger Thüringer im arbeitsfäh­igen Alter gegenüber.

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