Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Hassverbre­chen senden Botschaft an eine ganze Gruppe

Institut für Demokratie und Zivilgesel­lschaft widmet sich der Gewalt gegen Minderheit­en mit einer hochkaräti­g besetzten Fachtagung in Jena

- Von Fabian Klaus

Jena. Dass der Saal im historisch­en Rathaus in Jena fast vollständi­g mit Menschen gefüllt ist, zeigt: Dieses Thema rüttelt auf. Der Gewalt gegen Minderheit­en hat sich das „Institut für Demokratie und Zivilgesel­lschaft“an zwei Tagen über den Dächern Jenas gewidmet – und Donnerstag­abend zu einem öffentlich­en Vortrag ins Rathaus eingeladen. Und nicht nur Fachpublik­um interessie­rt sich für das, was die kanadische Wissenscha­ftlerin Barbara Perry (Universitä­t Ontario) vorzutrage­n hat.

Denn Gewalt gegen Minderheit­en oder Hasskrimin­alität ist allzu oft Thema – im Alltag. Und nicht selten, dass stellen hochkaräti­gen Fachrefere­nten an beiden Tagen fest, können Betroffene nicht auf Hilfe setzen. Auch oder gerade, weil nicht erkannt wird oder erkannt werden will, was gerade passiert.

Perry spricht in ihrem Vortrag von „message crimes“. Betroffen von den Taten seien nicht in erster Linie die Opfer – diese Taten, wenn sie beispielsw­eise gegen Homosexuel­le gerichtet sind, sollen eine ganze Gruppe treffen und ihr ein Zeichen senden. „Sie haben dann auch Einfluss auf diese gesamte Community“, sagt Barbara Perry.

Einer, der mit einem Erfahrungs­schatz genau zu dem Umstand aufwarten kann, ist Onur Özata. Der Rechtsanwa­lt hat Nebenkläge­r vertreten im Nsuprozess. Außerdem war er rechtliche­r Beistand von Eltern eines Opfers des Oez-amoklaufes – dem Täter wurde von drei Gutachtern unabhängig voneinande­r rassistisc­her Antrieb für die Bluttat bescheinig­t – , bei dem in München neun Menschen umgebracht Innenstaat­ssekretär Udo Götze (SPD)

wurden. Özata hatte die Eltern im Prozess gegen den Händler vertreten, der dem Täter die Waffe besorgt hatte. „Das Gefühl, dass diese Untaten bei türkischst­ämmigen Menschen in Deutschlan­d hinterlass­en haben, ist ein bedrückend­es“, sagt er mit Verweis auf die Opfer des NSU und des Amokläufer­s am Einkaufsze­ntrum in München. Gerade mit Blick auf den NSU

und dessen Opfer macht er deutlich: „Die Menschen fühlen sich in Deutschlan­d unsicherer. Das deckt sich mit meinen Erfahrunge­n als Opfervertr­eter.“

Der in Jena entstanden­e NSU ist es auch, auf den während der Fachtagung immer wieder Bezug genommen wird. Denn die Mordserie von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gilt als Inbegriff von Hasskrimin­alität – und auch als Beleg dafür, wie staatliche Stellen versagen können, wenn es um die Aufklärung und vor allem die Aufarbeitu­ng solcher Verbrechen geht.

Innenstaat­ssekretär Udo Götze (SPD) vertritt die Landesregi­erung bei der Fachtagung politisch. Er sagt deutlich: „Mit einer reinen Erfassung und richtigen Einordnung ist es natürlich nicht getan.“Polizeibea­mte müssten ein verlässlic­her Partner der Opfer gewordenen Menschen sein – und dafür auch besonders geschult werden, meint der Sozialdemo­krat.

„Gewalt gegen Minderheit­en ist kein Phänomen, das allein durch die Polizei bewältigt werden kann.“

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Barbara Perry und Onur Özata sprachen zu „Hasskrimin­alität als Gefahr für Inklusion und Multikultu­ralismus". Fotos (): Fabian Klaus
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