Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Hassverbrechen senden Botschaft an eine ganze Gruppe
Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft widmet sich der Gewalt gegen Minderheiten mit einer hochkarätig besetzten Fachtagung in Jena
Jena. Dass der Saal im historischen Rathaus in Jena fast vollständig mit Menschen gefüllt ist, zeigt: Dieses Thema rüttelt auf. Der Gewalt gegen Minderheiten hat sich das „Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft“an zwei Tagen über den Dächern Jenas gewidmet – und Donnerstagabend zu einem öffentlichen Vortrag ins Rathaus eingeladen. Und nicht nur Fachpublikum interessiert sich für das, was die kanadische Wissenschaftlerin Barbara Perry (Universität Ontario) vorzutragen hat.
Denn Gewalt gegen Minderheiten oder Hasskriminalität ist allzu oft Thema – im Alltag. Und nicht selten, dass stellen hochkarätigen Fachreferenten an beiden Tagen fest, können Betroffene nicht auf Hilfe setzen. Auch oder gerade, weil nicht erkannt wird oder erkannt werden will, was gerade passiert.
Perry spricht in ihrem Vortrag von „message crimes“. Betroffen von den Taten seien nicht in erster Linie die Opfer – diese Taten, wenn sie beispielsweise gegen Homosexuelle gerichtet sind, sollen eine ganze Gruppe treffen und ihr ein Zeichen senden. „Sie haben dann auch Einfluss auf diese gesamte Community“, sagt Barbara Perry.
Einer, der mit einem Erfahrungsschatz genau zu dem Umstand aufwarten kann, ist Onur Özata. Der Rechtsanwalt hat Nebenkläger vertreten im Nsuprozess. Außerdem war er rechtlicher Beistand von Eltern eines Opfers des Oez-amoklaufes – dem Täter wurde von drei Gutachtern unabhängig voneinander rassistischer Antrieb für die Bluttat bescheinigt – , bei dem in München neun Menschen umgebracht Innenstaatssekretär Udo Götze (SPD)
wurden. Özata hatte die Eltern im Prozess gegen den Händler vertreten, der dem Täter die Waffe besorgt hatte. „Das Gefühl, dass diese Untaten bei türkischstämmigen Menschen in Deutschland hinterlassen haben, ist ein bedrückendes“, sagt er mit Verweis auf die Opfer des NSU und des Amokläufers am Einkaufszentrum in München. Gerade mit Blick auf den NSU
und dessen Opfer macht er deutlich: „Die Menschen fühlen sich in Deutschland unsicherer. Das deckt sich mit meinen Erfahrungen als Opfervertreter.“
Der in Jena entstandene NSU ist es auch, auf den während der Fachtagung immer wieder Bezug genommen wird. Denn die Mordserie von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gilt als Inbegriff von Hasskriminalität – und auch als Beleg dafür, wie staatliche Stellen versagen können, wenn es um die Aufklärung und vor allem die Aufarbeitung solcher Verbrechen geht.
Innenstaatssekretär Udo Götze (SPD) vertritt die Landesregierung bei der Fachtagung politisch. Er sagt deutlich: „Mit einer reinen Erfassung und richtigen Einordnung ist es natürlich nicht getan.“Polizeibeamte müssten ein verlässlicher Partner der Opfer gewordenen Menschen sein – und dafür auch besonders geschult werden, meint der Sozialdemokrat.
„Gewalt gegen Minderheiten ist kein Phänomen, das allein durch die Polizei bewältigt werden kann.“