Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Eine Zukunft als Hausarzt
Medizinstudenten aus Jena lernen die Möglichkeiten kennen, im ambulanten Bereich zu arbeiten
Ilmenau/jena. Jessica Wagner hat sich längst entschieden: Die 22-Jährige, die im neunten Semester in Jena Medizin studiert, sagt, dass sie vom Land kommt und auch wieder aufs Land will. Eine Tätigkeit als Hausärztin kann sie sich sehr gut vorstellen – am liebsten in dem 300-Seelenort nahe Marburg, aus dem sie stammt. Aber das sei kein Muss. „Ich finde, das ist etwas völlig anderes als in einer Klinik“, sagt sie: „Als Hausarzt kennt man auch die Familiengeschichte seiner Patienten, behandelt oft eine Familie von der Oma bis zum Enkelkind. Das gefällt mir, denn ich bin ein Familienmensch.“
Nicht alle der 20 Jenaer Medizinstudenten vom sechsten bis zehnten Semester, die diesen Monat an der zweiten „Summer School“zur ambulanten Medizin teilnahmen, haben derart klare Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft. Doch sie wären nicht mit von der Partie, wenn die eigene Niederlassung oder auch eine Tätigkeit als angestellter Arzt in der ambulanten Versorgung für sie nicht zumindest eine Option wären.
In der „Summer School“konnten sie die Möglichkeiten, die ihnen in diesem Bereich in Thüringen nicht nur, aber auch im ländlichen Raum offenstehen, erkunden und aus erster Hand von den dort tätigen Ärzten erfahren, welche Vor- und Nachteile sie haben.
Beispielsweise von Christin Grahmann, die vor 14 Monaten in Ilmenau, wo der Mangel an Hausärzten besonders groß war, eine sogenannte Stiftungspraxis eröffnete. Anstatt gleich zu Beginn ihrer Selbstständigkeit das finanzielle Risiko einer eigenen Praxis mit Kosten von rund 80 000 Euro schultern zu müssen, richtete ihr die Stiftung zur Förderung ambulanter ärztlicher Versorgung Thüringen eine Praxis ein und stellte sowohl die junge Ärztin als auch ihre beiden medizinischen Fachangestellten ein.
Stiftung betreibt aktuell zwei Hausarztpraxen
Damit kann sich die 35-Jährige, die den Facharzt für Gynäkologie und den für Allgemeinmedizin in der Tasche hat, ganz aufs Arzt-sein konzentrieren und sich nach und nach einen Patientenstamm aufbauen, ohne wirtschaftlich sofort unter Druck zu stehen. In knapp einem Jahr, so ihre Vorstellung, wird sie sich so gut eingearbeitet haben, dass sie der Stiftung die Praxis abkaufen kann.
An den Fragen, die ihr die Studenten stellten, ließ sich ablesen, dass die meisten eine solche Niederlassungsfahrschule für eine gute Idee halten. Denn beispielsweise mit dem Thema Abrechnung befassen sie sich im ohnehin voll gepackten Studium kaum. Doch in der Praxis eines Hausarztes spielt es natürlich vom ersten Tag an eine große Rolle.
Aktuell, informierte Stiftungsberaterin Antje Görnhardt, betreibt die Stiftung zwei Hausarztpraxen – beide in Ilmenau. Eine davon unterhält inzwischen sogar noch eine Zweigstelle in Gräfenroda, um die Patienten dort vor Ort an einem Tag pro Woche zu betreuen. Sechs Stiftungspraxen wurden bereits an die ehemals angestellten Ärzte übergeben, zuletzt Anfang Juli in Gräfenthal. Der Erfolg ist zwar nicht immer garantiert – eine Stiftungspraxis in Weida musste wieder geschlossen werden, weil sich für die schwanger gewordene angestellte Ärztin kein Nachfolger fand –, doch das ist die Ausnahme.
Denen, die sich die Übernahme einer bestehenden Praxis vorstellen können, legte Peter Hedt, Niederlassungsberater der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KV), ans Herz, möglichst frühzeitig Kontakt sowohl zum Praxisinhaber als auch zur KV zu knüpfen. Denn dann ließen sich die Weichen am ehesten in die gewünschte Richtung stellen.