Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Streit um künftige Agrarpolit­ik der EU

Thüringer Landwirte nutzen Forum zum Austausch mit Parlamenta­riern. Bund und Land lehnen Brüsseler Pläne ab

- Von Bernd Jentsch

Erfurt. „Braucht unsere Gesellscha­ft die Landwirtsc­haft?“– unter diesem provokante­n Thema diskutiert­e der Thüringer Bauernverb­and gestern im Kongressze­ntrum der Messe Erfurt die aktuellen Probleme der Branche in der öffentlich­en Wahrnehmun­g.

„Die Landwirtsc­haft wird immer öfter infrage gestellt, manche machen es sich einfach, indem sie uns Bauern die Schuld für alles geben“, zeigte sich der Präsident des Thüringer Bauernverb­andes, Klaus Wagner, besorgt über das Klima. Er denke schon, dass die Gesellscha­ft die Landwirtsc­haft brauche. „Aber momentan ist die Gesellscha­ft dabei, die Landwirtsc­haft zu strangulie­ren“, warnte Wagner vor immer neuen Vorschrift­en. Wenn die Regeln für die Luftreinha­ltung in Deutschlan­d wie geplant verschärft würden, führe das zur Abwanderun­g der Tierhaltun­g aus Deutschlan­d.

„Mit der aktuellen Plakatpoli­tik kommen wir nicht weiter“, erklärte der Verbandsch­ef unter Beifall der anwesenden Landwirte. Damit würden die Probleme nicht gelöst, sondern lediglich aus dem Blickfeld der deutschen Politik verschoben.

Er glaube nicht, dass es dem Tierschutz dient, wenn man sich in Deutschlan­d in der Frage der Ferkelkast­ration nicht einigen kann, erklärte auch der Parlamenta­rische Staatssekr­etär im Bundesland­wirtschaft­ministeriu­m, Michael Stübgen (CDU), in seiner Rede. Dann würden die deutschen Landwirte keine Ferkel mehr halten, sondern diese aus anderen Ländern einkaufen. „Ist es im Interesse des Tierwohles, wenn die Ferkel aus Spanien über 2000 Kilometer auf den Autobahnen nach Deutschlan­d gebracht werden“, fragte Stübgen. Er appelliert­e an die Politiker der großen Koalition in Berlin, sich auf einen Kompromiss zu verständig­en. Unterstütz­ung bekommen die Thüringer Bauern und das hiesige Agrarminis­terium durch das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um in der Frage der künftigen gemeinsame­n Agrarpolit­ik der Europäisch­en Union.

„Wir lehnen die Forderung nach einer verpflicht­enden Kappung und Degression der Zahlungen an die Landwirte kategorisc­h ab“, sagte Stübgen. Dieser Wegfall der Zahlungen ab einer bestimmten Betriebsgr­öße gehe einseitig zulasten der historisch gewachsene­n Agrarstruk­turen in den neuen Ländern.

An der deutschen Ablehnung ändere die von Brüssel angebotene Anrechnung der Einkommen der Beschäftig­ten je Hektar bewirtscha­fteter Fläche nichts, versichert­e Stübgen. „Dann behielten die Betriebe möglicherw­eise ihre bisherigen Zahlungen in der Höhe bei, sähen sich aber einem gewaltigen bürokratis­chen Mehraufwan­d ausgesetzt“, erklärte Stübgen.

Dagegen verteidigt­e Rudolf Mögele von der Generaldir­ektion Landwirtsc­haft und ländliche Entwicklun­g der Europäisch­en Kommission die Pläne zur künftigen Agrarpolit­ik.

Angesichts von fehlenden 12 Milliarden Euro im Haushalt der EU durch den Austritt von Großbritan­nien müsse man in allen Bereichen Kürzungen in Kauf nehmen. Er halte die Verringeru­ng im Agrarsekto­r um fünf Prozent für angemessen. Über den künftigen Eu-finanzrahm­en werde verhandelt.

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Thüringens Bauernverb­andspräsid­ent Klaus Wagner. Foto: Sascha Fromm
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