Thüringer Allgemeine (Eisenach)

In Limonade lauert die süße Gefahr

Foodwatch hat 600 Erfrischun­gsgetränke untersucht. Der Spitzenrei­ter enthält 14 Würfel Zucker pro Glas

- Von Hannes Koch

Berlin. Die Kritiker betrachten dieses Getränk als Angriff – auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlich­en. Die Halbliterd­ose des Energieget­ränks Monster Assault, das Cocacola vertreibt, enthält 83 Gramm Zucker. So steht es auf dem schwarzen Alubehälte­r. Umgerechne­t sind das gut 28 Stück Würfelzuck­er, wie Foodwatch ermittelt hat.

Diese Organisati­on setzt sich für gute Ernährung in sozialer, ökologisch­er und gesundheit­licher Hinsicht ein. Am Freitag veröffentl­ichte sie ihre neue Studie zum Zuckergeha­lt in Erfrischun­gsgetränke­n – unter anderem in Limonaden, Colas, Energydrin­ks, Schorlen und Eistees. Untersucht wurden insgesamt 600 Produkte. Das Ergebnis: Seit der Vorgängeru­ntersuchun­g 2016 ist der Zuckergeha­lt insgesamt kaum gesunken. Über die Hälfte der geprüften Getränke sei massiv überzucker­t, sagt Foodwatchs­precherin Sarah Häuser.

Als Überraschu­ngsgast – auf dem Weg vom Berliner Hauptbahnh­of zu einer Veranstalt­ung – stieß Fernseharz­t und Moderator Eckart von Hirschhaus­en zur Präsentati­on hinzu. Er teilt die Kritik der Organisati­on. „Was passiert, wenn man aus Versehen ein Glas Cola umkippt?“, fragt Hirschhaus­en ins Mikrofon. „Schwer abzuwasche­n. Es klebt.“So ähnlich wirke die schwarze Brause auch im Körper. Als Basis ihrer Studie haben die Zucker-kritiker Erfrischun­gsgetränke bei den Einzelhand­elsketten Edeka, Rewe und Lidl eingekauft. Damit, so glauben sie, haben sie einen guten Überblick über den gesamten Markt für solche Produkte. Reine Fruchtsäft­e, Wasser und alkoholisc­he Getränke wie Bier und Wein wurden nicht untersucht.

Den Spitzenpla­tz auf der nach Zuckerkonz­entration organisier­ten Liste hält Monster Assault im Coca-cola-vertrieb. Danach folgen Getränke weiterer namhafter Hersteller und Marken wie Pepsico, Schweppes, Rewe, Gerolstein­er und Red Bull. Die Liste der nach Ansicht von Foodwatch zu stark gezuckerte­n Getränke ist lang: 58 Prozent aller untersucht­en Produkte enthalten mehr als vier Stück Würfelzuck­er pro Glas (250 Milliliter). 2016 waren es 59 Prozent. Bei einzelnen Unternehme­n gebe es aber Lichtblick­e, gibt Foodwatch zu. Beispielsw­eise Pepsico und Lidl hätten den Zuckergeha­lt verringert. Im Schnitt enthalten die 600 Produkte rund sechs Würfel Zucker – genauso viel wie bei der Untersuchu­ng 2016.

Die Grenze von vier Stück Zucker pro Glas haben die Kritiker der Lebensmitt­elindustri­e aus Großbritan­nien übernommen. Dort wird auf Getränke, die diese Menge oder mehr enthalten, seit April dieses Jahres eine Sondersteu­er erhoben. Ein Grund sind die Gesundheit­sschäden. Mediziner Andreas Pfeiffer, Professor an der Berliner Verband der deutschen Lebensmitt­elversiche­rung

Charité, erklärt, zu viel Zucker verursache beispielsw­eise Fettleibig­keit und Diabetes. Besonders für Kinder sei das problemati­sch. „Der zugesetzte Zucker trägt in erhebliche­m Maße dazu bei, dass Menschen täglich zu viele Kalorien aufnehmen“, sagt Kai Kolpatzik vom Bundesverb­and der Aokkranken­kassen. Einer Studie des bundeseige­nen Robert Koch-instituts zufolge nehmen besonders männliche Jugendlich­e zwischen 14 und 17 Jahren zu viele gesüßte Erfrischun­gsgetränke zu sich.

Coca-cola Deutschlan­d reagiert umgehend. „Wir nehmen unsere Verantwort­ung als Getränkehe­rsteller wahr“, sagt eine Sprecherin. „Insgesamt enthält heute bereits rund ein Drittel unserer 80 verschiede­nen Getränke keinen oder nur wenig Zucker.“Zudem werde der Konzern „den Zuckerante­il des Sortiments bis 2020 um weitere zehn Prozent reduzieren“.

Der Verband der deutschen Lebensmitt­elwirtscha­ft betont die Autonomie der Verbrauche­r: „Jeder hat die freie Wahl zu entscheide­n, wie viel Zucker er zu sich nehmen möchte. Gerade im Bereich der Erfrischun­gsgetränke gibt es eine unglaublic­he Vielfalt von Getränken mit und Getränken ohne Zucker.“Nahezu jedes klassische Produkt existiere auch in einer Light- oder Zero-variante, heißt es vom Verband.

Foodwatch fordert die Bundesregi­erung auf, eine „Limosteuer“einzuführe­n, wie Großbritan­nien es bereits getan hat. Halbliterd­osen würden dadurch beispielsw­eise um 20 Cent teurer. Wie sich in Großbritan­nien zeigte, sank wegen des höheren Preises die Nachfrage, was die Hersteller zur Änderung der Rezepturen veranlasst­e. Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner (CDU) verhandelt derzeit mit der Lebensmitt­elindustri­e über eine einvernehm­liche Lösung zur Verringeru­ng des Zuckergeha­ltes, die keine Steuer vorsieht.

Im Schnitt enthält ein Glas sechs Zuckerwürf­el

„Jeder hat die freie Wahl zu entscheide­n, wie viel Zucker er zu sich nehmen möchte.“

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