Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Auf dem Weg zum Bergbau im All: Luxemburg startet Weltraumag­entur

Der Wettlauf auf Rohstoffe und Edelmetall­e im Universum hat begonnen. In Europa hat ein kleines Land die Nase vorn

- Von Birgit Reichert

Luxemburg. Für das Großherzog­tum Luxemburg ist das Weltall viel mehr als Sonne, Mond und Sterne. Aus der Sicht des zweitklein­sten Eu-landes ist der Weltraum vor allem eines: Ein riesiges Geschäftsf­eld. Mit der Gründung einer luxemburgi­schen Weltraumag­entur (Luxembourg Space Agency/lsa) macht die Regierung einen weiteren Schritt zur kommerziel­len Nutzung des Weltraums.

Es geht um das „Auftanken“von Satelliten und Raketen, um Ersatzteil-herstellun­g mit 3Ddruckern und um den Abbau von Wasser, seltenen Erden und anderen Rohstoffen auf Asteroiden. „Ich denke nicht, dass das Science-fiction ist“, sagte der luxemburgi­sche Wirtschaft­sminister Etienne Schneider anlässlich des Startschus­ses der nationalen Weltraumag­entur im September dieses Jahres. Seit Anfang 2016 greift Luxemburg nach den Sternen im All, wo nach Ansicht von Experten Rohstoffe im Milliarden­wert schlummern. Eine Menge ist bereits passiert.

Ganz zentral: Luxemburg hat als einziges Eu-land einen Rechtsrahm­en für All-aktivitäte­n geschaffen. Das Gesetz vom Sommer 2017 garantiert Unternehme­n den Anspruch auf die im Weltraum gewonnenen Ressourcen. Wie beim Fischen im Ozean – da gehören dem Fischer auch die Fische und nicht der Ozean. „Unser Rechtsrahm­en geht auch nicht davon aus, dass ein Asteroid oder ein Planet der Firma X gehört.“

Die Initiative „Space Resources“hatte die Luxemburge­r Regierung mit zunächst 200 Millionen Euro angestoßen. Es gibt einen mit 100 Millionen Euro dotierten Fonds, der in einer Partnersch­aft von Staat und Firmen besonders interessan­te Projekte fördert. Und die neue Weltraumag­entur ist, so Schneider, „eine logische Folge von all dem, was wir in den letzten beiden Jahren aufgebaut haben“.

Mit dem Gesetz haben sich rund 20 Unternehme­n der Weltraumbr­anche auch mit Europazent­ralen im Großherzog­tum angesiedel­t, wie der Minister sagte. Zudem gebe es noch etwa 150 Firmen, Start-ups und Institute, die an Kooperatio­nen in Luxemburg interessie­rt seien. Mit der neuen Agentur, die eng mit der Europäisch­en Weltraumor­ganisation Esa zusammenar­beiten wird, ergäben sich auch für Unternehme­n aus Drittlände­rn, beispielsw­eise den USA, Möglichkei­ten zur Teilnahme an Esa-projekten.

Luxemburg will auch von der Weltraumex­pertise des heimischen Satelliten­betreibers Ses profitiere­n, der mit rund 60 Satelliten und einem Umsatz von zwei Milliarden Euro Weltmarktf­ührer Etienne Schneider , Luxemburgs Wirtschaft­sminister

ist. Ses war 1985 mit staatliche­r Förderung gegründet worden.

Die Weltraum-initiative der Luxemburge­r sei ein „schlauer Schachzug“und „ein wichtiger Schritt“, sagte Esa-generaldir­ektor Jan Wörner. Das Großherzog­tum habe damit in Europa eine Nische besetzt, die das Land sichtbarer mache. Die Idee einer Zusammenar­beit zwischen der luxemburgi­schen Agentur und der ESA könne auch für Europa „ein sehr guter Weg sein“. Allerdings dämpfte Wörner beim Bergbau zu große Erwartunge­n an schnelle Erfolge: Man müsse geduldig sein, bis erste Aktionen im Weltall realisiert werden könnten.

Auch Schneider meinte, dass es „noch eine Reihe von Jahren“dauere, bis man Mineralien auf Asteroiden abbauen werde. „Aber es gibt auch Geschäftsm­odelle, die jetzt schon, kurzfristi­g oder mittelfris­tig funktionie­ren werden.“Erdbeobach­tung beispielsw­eise kann Bauern oder Winzern dabei unterstütz­en, wo sie düngen oder welchen Weinstock sie ernten sollen. Umweltkata­strophen

und Waldbrände, die aus dem All beobachtet werden könnten. Eine Raumstatio­n werde unabhängig­er von Nachschub von der Erde, wenn sie mit einem 3D-drucker Ersatzteil­e herstellen könne.

Und die Lebenszeit eines teuren Satelliten sei auch durch den Treibstoff begrenzt, der irgendwann ausgehe. Wer Wasserstof­f aus dem Eis von Asteroiden produziere­n und dann zur Betankung von Satelliten verwenden könne, der könne mit guten Geschäften rechnen.

Schneider: „Und das wird spätestens in drei bis vier Jahren im Weltraum funktionie­ren.“Vorerst gehe es darum, im All gewonnene Rohstoffe wie Wasserstof­f für Raumfahrze­uge und eine „neue Weltraumin­dustrie“zu nutzen.

Der Abbau seltener Erden, beispielsw­eise für Mobiltelef­one und andere Elektronik erforderli­ch, könne in einigen Jahren durchaus profitabel sein. Noch sei der Transport zur Erde um ein Vielfaches teurer als deren Wert. Aber: „In den 1970er-jahren hat ein Computer auch vier Millionen Dollar gekostet.“

„Es ist ein Geschäftsf­eld, das Luxemburg von Anfang an beackern will“, sagt Schneider. „Wir sind klein, aber wir sind innovativ und wir sind sehr wendig.“Ein großes Land wie Deutschlan­d oder Frankreich tue sich „sehr schwer, um Bewegung in diese Sache zu bekommen“.

Während die großen Nachbarn „Zeit verplemper­n“, nutze Luxemburg die Gelegenhei­t, „Fakten zu schaffen“: „Wenn diese Firmen einmal in Luxemburg sind und zufrieden sind, dann sehe ich nicht, warum sie nach Deutschlan­d gehen sollten, wenn die dann auch endlich mal aufgewacht sind.“In Luxemburg habe es nur ein paar Monate gedauert, um den Rechtsrahm­en zu schaffen.

Motivation zieht Schneider auch aus der Vergangenh­eit. „Als wir in den 70er-jahren den Zusammenbr­uch der Stahlindus­trie sahen, da haben wir entschiede­n, dass wir zu einem Finanzplat­z werden. Damals gab es drei Banken in Luxemburg. Da hat auch jeder gelacht.“

Rechtsrahm­en für All-aktivitäte­n geschaffen

Ich denke nicht, dass das Science-fiction ist.“

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