Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Vergnüglicher Auftakt mit russischer Musik
Generalmusikdirektor Myron Michailidis startet mit Cyprien Katsaris fulminant in seine Erfurter Ära
Erfurt. Einen erstklassigen Einstand hat Myron Michailidis als neuer Erfurter Generalmusikdirektor im Sinfoniekonzert am Donnerstag gefeiert. Unter seiner Leitung musizierte das Philharmonische Orchester der Landeshauptstadt ein rein russisches Programm hoch konzentriert, klangvoll und recht reagibel, so dass man fürs Erste resümieren darf: Ja, auch diesem Anfang wohnt ein Zauber inne.
Dabei hat sogar Gast-solist Cyprien Katsaris, ein gebürtiger Zyprer, dem Griechen aus Kreta ein wenig die Show gestohlen. Der Weltklassepianist spielte das technisch enorm anspruchsvolle F-dur-konzert Dmitri Schostakowitschs absolut virtuos – und überdies mit einer solch heiteren Gelassenheit, dass man glaubte, die selten sorglose Freude des Komponisten in einem Kaukasus-urlaub 1956, während dem das Werk entstand, nachzuempfinden – ja vielleicht gar eine grimmige Genugtuung nach dem Tod Stalins.
All die perlend rasanten Läufe, flinken Figuren und reizenden Taktwechsel hat ein Katsaris schier in den Fingern. Er treibt nicht, obwohl er es könnte, und ignoriert, obschon es ihm leicht fiele, alle Oberflächenbrillanz. Stattdessen zelebriert er als ein Ästhet feinsinnig den doppelbödigen Schalk in dieser Musik. Wie er im Mittelsatz über die fahl-elegische Orchestereinleitung diese herrliche verträumte Melodie tupft – einfach wunderbar.
Michailidis und seine Philharmoniker erwiesen sich als Katsaris‘ hellwache Partner bei dem verflixt bukolischen Spaß. Dieser Dirigent besitzt offenbar anderes Format als seine zwei Vorgänger im Amt; unaffektiert und mit eindeutiger Gestik ermuntert er zu straffem, präzisem und homogenem Spiel. Diese sich anbahnende neue Klangkörper-kultur durchzog, trotz einiger Holzbläserkiekser, bereits Glinkas forsch aufgefasste „Ruslan und Ludmilla“-ouvertüre und bestätigte sich in Rachmaninows heutzutage nur selten noch aufgeführter Sinfonie Nr. 2.
Kein flauschiger breiter Teppich, sondern ein klarer und transparenter Streicherklang trug diese sperrige Sinfonik, die trotz ihrer formal klassischen Bauart eher einen Eindruck von rhapsodischer Entwicklung hinterließ. Michailidis bewies Verstand, Übersicht und Sinn für Dramatik; auch hier triumphierte Ernsthaftigkeit über simple Crescendo-effekte. Lieber kostete er klanglich subtil herausgearbeitete Details aus, etwa das schön ausgestellte Hornmotiv im zweiten Satz, ließ ein bisschen alte Walzerseligkeit im Kopf- und sogar eine Swing-allusion im Finalsatz anklingen und stellte die ganze gemeinsame Arbeit unter das Primat einer kompakten, schlüssigen Interpretation.
So freud- und so hoffnungsvoll starten Myron Michailidis und seine Schützlinge in eine neue, als interimistisch auf lediglich zwei Jahre programmierte Ära. Aber wie es am Ende kommt, muss man mal sehen – und hören!