Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Keine Zeit für eine Kaffeefahrt
Axel Lukacsek über den Reiz der Straßenrad-weltmeisterschaft
Die Kaffeehauskultur gehört zu Österreich unbedingt dazu. Es ist aber gleichzeitig ein Land der Gegensätze. Denn der Extremsport hat hier ebenso eine Heimat, wie zum Beispiel Felix Baumgartner bewies, als er sich aus 39 Kilometer Höhe mit Tempo 1342 und einem Fallschirm auf dem Rücken in Richtung Erde stürzte. Unter diesen Umständen muten die Strecken bei der Straßenrad-wm in Innsbruck auf den ersten Blick wie eine Kaffeefahrt an. Doch der wohl schwerste Wm-kurs seit Jahren führt dazu, dass einige Stars der Szene dankend abgesagt haben.
Ohnehin haben die jährlich ausgetragenen Weltmeisterschaften das Problem, dass sie im Schatten der legendären Tour de France stehen. Wer in Paris triumphiert hat, ist der Rad-star des Jahres. Dennoch finden die Titelkämpfe in der Alpenrepublik durchaus Beachtung, wie die erwarteten 250 Millionen Fernsehzuschauer in 150 Länder zeigen. Und ganz ohne Extreme geht es eben nicht in Österreich. Der finale Anstieg beim Straßenrennen mit einer Steigung von 28 Prozent gehört dazu. Insofern war den weltbesten Sprintern um Marcel Kittel, John Degenkolb und Andre Greipel schon beim Blick auf das Profil klar, dass sie nicht antreten brauchen.
Für die deutschen Radsportfans bietet die WM trotz der Absage von Giro-triumphator Chris Froome und Tour-defrance-gewinner Geraint Thomas dennoch viel Spannung. So stellt sich die Frage, ob Tony Martin nach überstandener Verletzung tatsächlich in den Medaillenkampf eingreifen kann. Oder ob Maximilian Schachmann nach Etappensiegen bei Giro und Deutschlandtour im Land der Kaffeehauskultur so abgebrüht ist und seine erste Wm-medaille holt.