Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Deutschland landet im Duell um die EM 2024 den ersten Punktsieg
Bericht der Uefa sieht den Konkurrenten Türkei vor allem wegen der wirtschaftlichen Lage im Nachteil
Teneriffa besitzt eine recht ausgeprägte Schachszene. In diesen Tagen ging in der Universitätsstad La Laguna das 1. Internationale Open zu Ende. Die Schachbegeisterung der Einheimischen und das stilvolle Amnbiente des Turniersaals im Convent Santa Domingo inspirierten auch die 114 Teilnehmer. Der Sieg ging an den Venezolaner Daniel Eduardo Pulvett. Während des Turniers wurde bekannt, dass er aufgrund der katastrophalen politischen Lage nicht mehr in sein Heimatland zurückreisen wird. In folgender Partie genügte dem Nachziehenden ein kleiner Trick, um Weiß zur sofortigen Aufgabe zu zwingen. Was zog Schwarz? Auflösung vom 15. September: Nach dem Einschlag 1 . ... Lxg4+! wird Weiß schnell mattgesetzt. Auf 2. fxg4 folgt Tf3 matt. Nyon. 41 Seiten umfasst das Schreiben, das am Freitagmittag öffentlich gemacht wurde und den schönen Namen „Evaluation Report“trägt. Absender: Der Europäische Fußball-verband Uefa. Inhalt: Ein Vergleich der beiden potenziellen Ausrichter der Europameisterschaft 2024. Deutschland auf der einen Seite, die Türkei auf der anderen. Ergebnis: Deutschland, gefeierter Gastgeber der WM 2006, sieht sechs Tage vor der finalen Vergabe am kommenden Donnerstag in Nyon wie der sichere Sieger aus.
Sommermärchen, Teil II? Die erste EM im vereinten Deutschland? Vielleicht. Vermutlich.
Prüfung in zwölf Kategorien
„Der Bericht zeigt, dass wir unsere Arbeit in den vergangenen Monaten ernstgenommen haben und die Uefa unsere Stärken honoriert”, sagt der Kapitän der Weltmeistermannschaft von 2014 und jetzige Em-botschafter Philipp Lahm. „Deutschland ist der richtige Ort für die Austragung der Euro 2024.” Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die Ausarbeitung der Uefa, die in den vergangenen vier Monaten beide Bewerbungen in zwölf Kategorien prüfte – beiden Ländern nun ein gutes Zeugnis ausstellt, aber in der Türkei Risiken aufziehen sieht.
Die zehn deutschen Stadien entsprechen schon gegenwärtig allen Anforderungen an das Turnier mit insgesamt 24 Mannschaften. In der Türkei müssten zwei Stadien neu aufgebaut (in Istanbul und in Ankara) und eines umfangreich renoviert (Antalya) werden.
Die Bewerbung des Deutschen Fußball-bundes (DFB) verspricht zudem größere Kulissen und – nicht ganz unwichtig – höhere Einnahmen. Düsseldorf (46 264 Zuschauer) weist als Standort mit der geringsten Kapazität größere Möglichkeiten auf als sieben Bewerberstadien der Türkei. Die Uefa bemerkt zudem, dass die Bauarbeiten am Atatürk-olympiastadion wegen des Champions-league-finals 2020 ausgesetzt werden müssen und dies für die EM „ein Risiko darstellen könnte“.
Auch im Bereich Infrastruktur muss die Türkei deutlich nachbessern. Ein Beispiel: Mehr als 5000 Kilometer Bahnstrecke würden nach aktuellem Stand noch gebaut werden müssen. Läuft alles wie geplant, „dann würden die Erfordernisse des Turniers erreicht werden. Das Ausmaß der zu bewältigenden Arbeiten im geforderten Zeitrahmen stellt allerdings ein Risiko dar“, wie die Uefa festhält.
Weiterer Malus der Türkei: In der Bewerbung sei das „Fehlen eines Aktionsplans in Sachen Menschenrechte problematisch“. Wobei die nach Gewinnmaximierung strebende Fußball-familie wenige Hemmungen hat, bei ausreichend Aussicht auf Profit auch über derlei Kleinigkeiten hinwegzusehen. Beispiele sind die WM 2018 in Russland und die WM 2022 in Katar. Unterschied: Diese beiden Gastgeber bestechen durch Reichtum, während die Türkei auf eine Wirtschaftskrise zusteuert und die Lira einen dramatischen Kursverfall hinter sich hat. Die Planungen für die EM 2024 , so die Uefa, könnten daher „unter Druck“geraten.
Vieles spricht für Deutschland. Aber nicht alles. Schließlich – auch das hält die Uefa feinsäuberlich fest – müsste der Verband auf die möglichen Gewinne Steuern zahlen und zudem Miete für die Nutzung der Stadien bezahlen, allerdings „in angemessener Höhe“.
Minutiös hat der DFB seine Bewerbung vorangetrieben. Für den Präsidenten Reinhard Grindel und seinen in Turbulenzen geratenen Verband wäre der Zuschlag die sehnsüchtig erwartete gute Nachricht nach dem WMAUS, dem Rücktritt Mesut Özils und dem Umgang mit ihm.
Die Zeichen stehen auf Erfolg. Aber Deutschland wird – um Gewissheit zu haben – abwarten müssen, wie die 17 stimmberechtigen Mitglieder des Exekutiv-komitees entscheiden.