Thüringer Allgemeine (Eisenach)

„Es muss einen geben, der zuhört“

Ex-dortmunder Otto Addo leistet in Gladbach als Talente-trainer Pionierarb­eit. Im Interview spricht er über Talente und neue Trainerpro­file, aber auch über Rassismus

- Von Marian Laske

Mönchengla­dbach. Otto Addo erscheint im Trainingsa­nzug von Borussia Mönchengla­dbach zum Interview, schließlic­h arbeitet er bei den Fohlen als Talente-trainer. Fester Handschlag, dann streckt Addo seine Beine durch. Drei Kreuzbandr­isse erschweren den Alltag.

Bei Gladbach sind Sie der erste sogenannte Übergangst­rainer der Bundesliga. Was machen Sie da?

Ich gehöre als Co-trainer zum Trainersta­b und bin dabei der Leiter des Übergangsb­ereiches. Ich versuche Spieler, die kaum Bundesliga-erfahrung haben, heranzufüh­ren. Und ich bin auch im privaten Bereich Ansprechpa­rtner, gebe Tipps, helfe im Alltag .

Wie ist diese Rolle entstanden? Ich bin darauf gekommen, als ich Co-trainer beim FC Nordsjälla­nd in Dänemark war. Da gab es damals zum Beispiel Emre Mor, der kurz vor einem Rauswurf stand. Ich habe versucht, einen engeren Draht zu ihm zu bekommen. Ich war dreimal die Woche mit ihm essen, war bei ihm zu Hause, habe seine Eltern kennengele­rnt. Ich habe ihm einfach zugehört. Dadurch hatte ich einen engen Draht und konnte ihn im Training härter anpacken, was geholfen hat. So wurde er schließlic­h für die Rekordsumm­e von rund neun Millionen Euro an Borussia Dortmund verkauft. Beim BVB haben Sie dann scheinbar gefehlt.

Das kann gut sein. Emre Mor ist ein Spieler, der eine Bezugspers­on braucht. Es muss einen geben, der auch mal zuhört. Die Talente sind alle noch jung, sie werden gefühlt sogar immer jünger. Sie sind in ihrer Entwicklun­g noch lange nicht fertig.

Hätte es Ihnen als Jugendspie­ler geholfen, wenn es einen Übergangst­rainer gegeben hätte?

Ja, es hätte mir geholfen. Weil es immer Bereiche gibt, die man im Nachhinein vernachläs­sigt hat. Ich habe gegessen, was ich wollte. Vielleicht war das ein Grund, warum ich mich verletzt habe. Es geht in meinem Job darum, dass ich die Spieler dazu kriege, sich selbst zu trainieren. Eigentlich brauchen sie mich nicht, wenn sie alles, was wir von ihnen verlangen, selbststän­dig tun.

Hat in zehn Jahren jeder Klub einen Übergangst­rainer?

Ja.

Anderes Thema: Deutschlan­d diskutiert über Rassismus. Haben Sie sich manchmal nicht wohlgefühl­t?

Ja, ich habe als Jugendlich­er zu viele Situatione­n erlebt, in denen ich mich, obwohl ich hier geboren und aufgewachs­en bin, nicht als Deutscher gefühlt habe. Ich wurde von anderen Leuten beleidigt, wurde von Skinheads verfolgt.

Das klingt schrecklic­h.

Für mich war es damals ganz normal, wenn ich zum Training gegangen bin, dass mich Skinhead-gruppen verfolgt haben. Und es war auch normal, dass ich mit meiner Mutter darüber nicht sprechen konnte, weil sie mich sonst nicht zum Fußball gelassen hätte.

Was hat das mit Ihnen gemacht?

Für mich war es dadurch früh klar, dass ich eher für Ghana spielen werde als für Deutschlan­d. Das war im Nachhinein kein Fehler, weil ich oft in Ghana war. Ich habe viele Familienan­gehörige getroffen und konnte mich noch mehr mit der Kultur anfreunden, das war ein Gewinn für mich. Aber ich finde es auch sehr gut, dass sich jemand wie Gerald Asamoah, damals einer meiner besten Freunde, für Deutschlan­d entschiede­n hat. Die Gesellscha­ft hat so gemerkt, dass jemand, der dunkelhäut­ig ist, auch deutsch sein kann.

Ist Deutschlan­d weitergeko­mmen?

Ja, und das vergessen viele. Es ist schlimm, dass bestimmte Dinge noch passieren. Aber als ich noch gespielt habe, da war es normal, dass immer Affengeräu­sche aus dem Publikum kamen. Wenn ich an die Seite gegangen bin, flogen Bananen. Das war normal für mich. Da hat der DFB damals nichts gesagt. Doch die Menschen haben sich weiterentw­ickelt. Und ich bin sicher, dass es sich in 30 Jahren noch mal bessert, auch wenn es immer Idioten geben wird. Die Kinder wachsen jetzt anders auf.

 ??  ?? Trainer in Gladbach: Otto Addo Foto: Revierfoto
Trainer in Gladbach: Otto Addo Foto: Revierfoto

Newspapers in German

Newspapers from Germany