Thüringer Allgemeine (Eisenach)
„Es muss einen geben, der zuhört“
Ex-dortmunder Otto Addo leistet in Gladbach als Talente-trainer Pionierarbeit. Im Interview spricht er über Talente und neue Trainerprofile, aber auch über Rassismus
Mönchengladbach. Otto Addo erscheint im Trainingsanzug von Borussia Mönchengladbach zum Interview, schließlich arbeitet er bei den Fohlen als Talente-trainer. Fester Handschlag, dann streckt Addo seine Beine durch. Drei Kreuzbandrisse erschweren den Alltag.
Bei Gladbach sind Sie der erste sogenannte Übergangstrainer der Bundesliga. Was machen Sie da?
Ich gehöre als Co-trainer zum Trainerstab und bin dabei der Leiter des Übergangsbereiches. Ich versuche Spieler, die kaum Bundesliga-erfahrung haben, heranzuführen. Und ich bin auch im privaten Bereich Ansprechpartner, gebe Tipps, helfe im Alltag .
Wie ist diese Rolle entstanden? Ich bin darauf gekommen, als ich Co-trainer beim FC Nordsjälland in Dänemark war. Da gab es damals zum Beispiel Emre Mor, der kurz vor einem Rauswurf stand. Ich habe versucht, einen engeren Draht zu ihm zu bekommen. Ich war dreimal die Woche mit ihm essen, war bei ihm zu Hause, habe seine Eltern kennengelernt. Ich habe ihm einfach zugehört. Dadurch hatte ich einen engen Draht und konnte ihn im Training härter anpacken, was geholfen hat. So wurde er schließlich für die Rekordsumme von rund neun Millionen Euro an Borussia Dortmund verkauft. Beim BVB haben Sie dann scheinbar gefehlt.
Das kann gut sein. Emre Mor ist ein Spieler, der eine Bezugsperson braucht. Es muss einen geben, der auch mal zuhört. Die Talente sind alle noch jung, sie werden gefühlt sogar immer jünger. Sie sind in ihrer Entwicklung noch lange nicht fertig.
Hätte es Ihnen als Jugendspieler geholfen, wenn es einen Übergangstrainer gegeben hätte?
Ja, es hätte mir geholfen. Weil es immer Bereiche gibt, die man im Nachhinein vernachlässigt hat. Ich habe gegessen, was ich wollte. Vielleicht war das ein Grund, warum ich mich verletzt habe. Es geht in meinem Job darum, dass ich die Spieler dazu kriege, sich selbst zu trainieren. Eigentlich brauchen sie mich nicht, wenn sie alles, was wir von ihnen verlangen, selbstständig tun.
Hat in zehn Jahren jeder Klub einen Übergangstrainer?
Ja.
Anderes Thema: Deutschland diskutiert über Rassismus. Haben Sie sich manchmal nicht wohlgefühlt?
Ja, ich habe als Jugendlicher zu viele Situationen erlebt, in denen ich mich, obwohl ich hier geboren und aufgewachsen bin, nicht als Deutscher gefühlt habe. Ich wurde von anderen Leuten beleidigt, wurde von Skinheads verfolgt.
Das klingt schrecklich.
Für mich war es damals ganz normal, wenn ich zum Training gegangen bin, dass mich Skinhead-gruppen verfolgt haben. Und es war auch normal, dass ich mit meiner Mutter darüber nicht sprechen konnte, weil sie mich sonst nicht zum Fußball gelassen hätte.
Was hat das mit Ihnen gemacht?
Für mich war es dadurch früh klar, dass ich eher für Ghana spielen werde als für Deutschland. Das war im Nachhinein kein Fehler, weil ich oft in Ghana war. Ich habe viele Familienangehörige getroffen und konnte mich noch mehr mit der Kultur anfreunden, das war ein Gewinn für mich. Aber ich finde es auch sehr gut, dass sich jemand wie Gerald Asamoah, damals einer meiner besten Freunde, für Deutschland entschieden hat. Die Gesellschaft hat so gemerkt, dass jemand, der dunkelhäutig ist, auch deutsch sein kann.
Ist Deutschland weitergekommen?
Ja, und das vergessen viele. Es ist schlimm, dass bestimmte Dinge noch passieren. Aber als ich noch gespielt habe, da war es normal, dass immer Affengeräusche aus dem Publikum kamen. Wenn ich an die Seite gegangen bin, flogen Bananen. Das war normal für mich. Da hat der DFB damals nichts gesagt. Doch die Menschen haben sich weiterentwickelt. Und ich bin sicher, dass es sich in 30 Jahren noch mal bessert, auch wenn es immer Idioten geben wird. Die Kinder wachsen jetzt anders auf.