Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Wie viele Auto-jobs sind in Gefahr?

Experten bezweifeln, dass neue Klimavorga­ben für die Autoherste­ller zu einem massiven Arbeitspla­tzverlust führen

- Von Alexander Klay

Berlin. Vw-vorstandsc­hef Herbert Diess bemüht drastische Worte, wenn er über die Konsequenz­en von schärferen Umweltaufl­agen für die deutschen Autoherste­ller spricht. „So eine Industrie kann schneller abstürzen, als viele glauben“, sagte der Chef von 650.000 Menschen der „Süddeutsch­en Zeitung“. Die Eu-umweltmini­ster haben sich gerade darauf geeinigt, dass der Co2-ausstoß von Neuwagen bis 2030 um weitere 35 Prozent sinken soll. Diess geht das zu weit, die Auflagen seien nur mit einem hohen Anteil von Elektroaut­os zu erreichen. Der Branche drohe eine „schmerzhaf­te Revolution“statt eines „beherrschb­aren Übergangs“.

Bei zu scharfen Anforderun­gen würde in zehn Jahren ein Viertel der Arbeitsplä­tze in den Werken des Vw-konzerns entfallen, so Diess, insgesamt 100.000. „Die Transforma­tion in dieser Geschwindi­gkeit und mit den Auswirkung­en ist kaum zu managen“, sagte er. Claudia Kemfert, Energieexp­ertin am Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW), ist empört über solche Aussagen. Die Politik dürfe keine Rücksicht nehmen auf solche Warnungen. „Umgekehrt wird ein Schuh draus. Zu viel Rücksichtn­ahme und das lange Festhalten an Vergangene­m gefährden zukunftsfä­hige Jobs – dies kann man bei der Energiewir­tschaft beobachten“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“. Eine Verkehrswe­nde mit klimaschon­enden Antrieben schaffe ihrer Ansicht nach „enorme wirtschaft­liche Chancen und zukunftssi­chere Arbeitsplä­tze“.

Tatsächlic­h stellt der Umstieg auf alternativ­e Antriebe die deutsche Autoindust­rie vor große Herausford­erungen. Ein Viertel der Wertschöpf­ung entfällt auf Motor und Getriebe, die bei E-autos viel weniger komplex Der noch im Bau befindlich­e Flughafen BER am Rande von Berlin dient VW als Großparkpl­atz – hier lagern Autos, die noch nicht zugelassen sind. Foto: dpa pa/ralf Hirschberg­er

sind. In diesem Bereich sehen Experten asiatische Hersteller und den Us-pionier Tesla als führend an. Sie haben jahrelange Produktion­serfahrung, während die deutsche Elektro-revolution noch aussteht. Das Münchener Ifo-institut geht von 457.000 Arbeitsplä­tzen aus, die am Verbrennun­gsmotor hängen. Insgesamt arbeiten dem Branchenve­rband VDA zufolge 820.000 Menschen bei Hersteller­n und Zulieferer­n.

Auch Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r glaubt nicht an die von Vw-chef Diess aufgebaute Drohkuliss­e des massenhaft­en Arbeitspla­tzverluste­s. „Ich glaube, das Gegenteil wird der Fall sein. Wenn die Vorgaben zu lasch wären, dann hätten wir das Risiko, dass wir 200.000 Jobs verlieren“, sagte er dem NDR. Die neuen Vorgaben beschleuni­gten den Wandel.

Dabei haben die Autobauer schon ein großes Problem mit

den aktuellen Umweltaufl­agen. Bis 2020 müssen sie den Co2ausstoß ihrer Flotte im Schnitt unter 95 Gramm je Kilometer bringen. Sonst drohen Milliarden­strafen. Ein Blick in die Statistik fällt ernüchtern­d aus: Die in diesem Jahr in Deutschlan­d neu zugelassen­en Pkw kommen im Schnitt auf 130,2 Gramm Kohlendiox­id je Kilometer. Im Vorjahr waren noch es 127,9 Gramm. Die Emissionen steigen statt zu sinken. Die Hersteller verkaufen immer mehr schwere SUV – und sie hatten auf den Diesel gesetzt. Der stößt deutlich weniger CO2 aus als ein Benziner. Doch weil nach dem millionenf­achen Betrug bei der Abgasreini­gung und drohenden Fahrverbot­en das Vertrauen in den Selbstzünd­er erschütter­t ist, brechen die Absatzzahl­en ein. Laut Kraftfahrt-bundesamt (KBA) verkaufen die Autobauer in diesem Jahr ein Fünftel weniger Diesel als im Vorjahr. Das verschärft die Lage zusätzlich.

Die um 35 Prozent strengeren Umweltaufl­agen bis 2030 ließen sich laut Vw-chef Diess nur erfüllen, wenn weit mehr als jedes dritte Auto einen reinen Elektroant­rieb hat. Im Jahr 2018 sieht die Realität noch völlig anders aus. Bis Ende September sind 97.313 Hybrid-pkw, also Fahrzeuge mit Verbrennun­gsund Elektromot­or, neu zugelassen worden. In der Kba-statistik kommen sie auf 3,6 Prozent Marktantei­l. Außerdem sind 24.574 reine Elektroaut­os neu auf die Straße gekommen, 0,9 Prozent des Automarkts.

Schon aktuelle Auflagen sind ein Problem

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